Lenz, Siegfried
Gebrauch und pflügten um, was sich auf unserm Land zeigte, alle Laubgehölze, Nadel- und Obstgehölze, und was sie umpflügten, das schwärzte sich und verdorrte zusehends, und eine ganze Kompanie rannte hinter den Pflügen her und sammelte das Gehölz ein und schichtete es. Als einem Offizier eine Fackel gereicht wurde, als er die Fackel in den Zunder warf, da hielt ich es nicht mehr aus, da rannte ich dem Chef und den andern nach, aber melden, melden konnte ich nichts. Einmal gelang es mir, dem Chef heimlich ein Zeichen zu geben, wir sonderten uns ein wenig ab, und als er mich fragte: Ist was, Bruno?, brachte ich nichts heraus, ich konnte nur seinen Arm packen und zudrücken – worauf er mir zulächelte und flüsterte: Nur ruhig, mein Junge, bald sind wir wieder unter uns.
Am Rosenbeet des Chefs, an seinem Spielbeet, wie er es nannte, blieb der Minister stehen, er erkannte gleich, daß der Chef eine Vorliebe für alte Sorten hatte, für die Teerose, für die Noisette, er erriet, daß alle Arten auf die Hundsrose veredelt waren; nur daß dem Boden Magnesium und Kali beigegeben war, das erriet er nicht. Gemächlich besah er sich die Blüten, lobte den Wuchs, die kräftigen Triebe, fragte nach Frosthärte und Ruhezeit, und dann ging er in die Hocke und streckte die Hand aus: er hatte die Namenlose entdeckt, den Stolz des Chefs. Er war ganz still, er zupfte ein Blumenkronblatt heraus, rieb es, roch an ihm, behutsam legte er seine offene Hand um die Blüte und zog sie zu sich heran, und bei allem zeigte er seiner Begleitung, wie ausgiebig einer etwas bewundern kann ohne ein einziges Wort. Direkt wollte er wohl nichts fragen, er drehte sich nur auf dem Absatz um und sah zum Chef hinüber, und der sagte langsam: Eine Rückkreuzung, ich hab’s mal versucht, eine Rückkreuzung von der Polyantha- bis hin zur Wildrose, der kann so leicht nichts anhaben, sie blüht bis zum Frost. Die muß ins Jahrbuch, sagte der Minister, sie ist gut genug fürs Jahrbuch.
Nicht der Minister, der Magere aus seiner Begleitung fragte nach dem Namen der Rose, und der Chef sagte: Damit lassen wir uns hier Zeit. Da wollte der Magere wissen, ob schon ein Name in Aussicht genommen sei, worauf der Chef ihn erstaunt ansah und zurückfragte: Möchten Sie uns einen Vorschlag machen? Der Magere lachte gezwungen und winkte schon ab unter eigentümlichen Verrenkungen, es sollte nur eine Frage sein, ein bescheidener Hinweis darauf, daß die Gelegenheit zur Taufe gerade günstig sei, wenn er sich erlauben dürfe, dies anzumerken, ein Namensgeber sei zufällig anwesend. Der Chef tat, als ginge das nicht in seinen Kopf rein, und sagte nach einer Weile: Bei uns hier, da muß sich jeder seinen Namen verdienen, rechtfertigen muß er ihn – wenn Sie verstehen, was ich meine. Und mehr sagte er nicht dazu, vielmehr lud er den Minister und seine Begleitung ein, ins Haus zu gehen, wo Dorothea mit der Kaffeetafel auf sie wartete. Ich ging einfach mit bis zum Haupteingang, und als die meisten bereits in der Festung waren, da kam der Chef noch einmal zurück, er machte den Eindruck, als ob er etwas vergessen hätte, doch er hatte nichts vergessen, er zog mich nur schnell zum Büroeingang und fragte: Was denn, Bruno, was ist los mit dir? Und diesmal konnte ich ihm sagen, was ich gehört hatte. Nachdenklich sah er mich an, sein Gesicht verdunkelte sich, dann wischte er mir über den Kopf und warnte mich: Denk nicht soviel voraus, Junge, und beeilte sich, ins Haus zu kommen.
Meinen Sonntagskuchen, den hatte ich bereits im Gehen verdrückt, gleich nach dem Mittagessen, Dorothea hatte ihn selbst gebacken, Streuselkuchen mit einer Schicht Vanillecreme, ihre Streusel sehen aus wie Sonnentropfen, wie getrocknete, gehärtete, zart gebräunte Tropfen aus der Sonne, sobald ich die im Mund hab, muß ich die Augen zumachen. Ich stieg nicht in meinen Keller hinab, Bruno schlenderte zu den großen schwarzen Autos, der Chauffeur des Ministers winkte mir, er bot mir einen Pfefferminzdrops an, und während er mir noch die Rolle hinhielt, wollte er wissen, wo man hier pinkeln könnte; in seiner Abwesenheit guckte ich mir das Auto an. Bis heute kann ich nicht verstehen, warum die Hupe plötzlich diesen Dauerton von sich gab, ich wollte doch nur das Steuerrad mit beiden Händen anfassen, wollte doch nur einen Augenblick hinter dem Steuerrad sitzen, als Lenker, als Chauffeur, nur probeweise, da röhrte es schon los, da brüllte und gellte es, vermutlich waren es verschiedene Hupen, die
Weitere Kostenlose Bücher