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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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das Rollo runtergezogen ist und die Lampe brennt, setzt sich alles ab. Ich werde die Uhr reparieren lassen, die manch einer bewundert hat. Ich werde das Buch noch einmal lesen, das Max mir gewidmet hat. Die Fahrkarte, die kleine braune Fahrkarte: Schleswig – alle sind schon dagewesen, der Chef, Dorothea und Ina, sogar Magda ist dagewesen mit Lisbeths Sachen. Magda – nie würde sie es mir zutrauen; wie ich sie kenne, würde sie mich nur belustigt ansehen, mehr nicht. Und Joachim, der würde sich bestimmt freuen, wenn ich mal fort bin, und mit ihm auch noch manch anderer; nur er, der Chef allein, würde mich vermissen und nach mir fragen, vielleicht würde er mich sogar suchen lassen, denn nach seinem Willen soll ich übernehmen, was er mir zugedacht hat. Ich möchte fortgehen. Deinetwegen, hat Magda gesagt, wenn ich’s richtig verstanden habe, Bruno, dann haben sie das Entmündigungsverfahren auch deinetwegen angestrengt, weil der Schenkungsvertrag vorsieht, daß du ein Drittel des Landes bekommen sollst mit den dazugehörigen Einrichtungen. Und das wollen und können sie nicht anerkennen.
    Ich muß fortgehen. Wenn ich weg bin, gibt es nichts mehr, was zwischen ihnen steht, sie können ihm verzeihen und rückgängig machen, was sie eingeleitet haben, nichts steht mehr im Weg, wenn ich verschwunden bin. Ohne mich werden sie sich bestimmt einigen, sie werden ihn wieder aufnehmen unter sich, und er wird sein, was er immer war – er, dem ich alles verdanke. Das Werkzeug nehme ich mit, all die Dinge, die der Chef ausgesondert und mir überlassen hat. Meine Messer, die englische Baumsäge und die langschenklige Astschere, sie sind geschärft und geölt und gut verpackt in dem wasserdichten Beutel. Es ist noch Zeit bis zum letzten Zug nach Schleswig. Daß er immer noch bei mir ist, mein Koffer; so vieles ist mir verlorengegangen, war einfach weg, als ich es brauchte – er aber ist bei mir geblieben. Hemden sind wichtig und das Unterzeug und die geschonten Strümpfe – ich weiß gar nicht, wie viel man braucht, wenn man fortgeht.
    Wer wohl als erster entdecken wird, daß ich fort bin, einfach weg, auf Nimmerwiedersehen – wer wohl? Magda vielleicht, und sie wird rumlaufen und es jedem erzählen, und eine Weile wird sie es mir übelnehmen und denken, daß ich undankbar bin, denn sie wird nicht von selbst darauf kommen, warum ich es getan habe. Wenn Ewaldsen merkt, daß ich nicht mehr hier bin, wird er wohl nicht mehr denken als: Dann eben nicht; und er wird allein machen, was zu machen ist. Dorothea, die wird traurig sein, aber sie wird bald herausfinden, welchen Grund ich hatte, Hollenhusen zu verlassen, und vielleicht wird sie dann hinaufgehen und bei ihm klopfen. Du, Ina, du wirst mich am längsten vermissen und wirst am besten verstehn, daß ich fortgehen mußte. Was er denken wird, weiß ich nicht; kann sein, daß er sich erregt und einige losschickt, um mich zu suchen, es kann aber auch sein, daß er insgeheim mit mir einverstanden ist – ihm bleibt nichts verborgen, nicht mal ein Gedanke, den man denkt.
    Das Gestell bleibt hier und der Sessel, den mir der Chef geschenkt hat; wer weiß, wer noch einmal in ihm sitzen wird, und wer weiß, zu wem mein Tisch einmal kommt und wer meinen Spiegel benutzen wird. Mehr als ein Handtuch brauche ich nicht, Teller und Tasse kann sich nehmen, wer sie nötig hat, auch auf die alten Trillerpfeifen kann ich verzichten und überhaupt auf die vergrabenen Fundstücke aus der Zeit, als unser Land noch Soldatenland war, als wir das Eisenrohr, unsern Erdbohrstock, mit Hammerschlägen in den Grund trieben und sahen, daß es sich lohnte, hierzubleiben und anzufangen. Es ist einerlei, wer sich mein Kopfkissen nimmt und wer sich zudecken wird mit meiner Decke, sollen sie alles aufteilen unter sich, die Gummistiefel, die Arbeitshose, die Mütze mit den Ohrenschützern, über die der Chef immer lächeln mußte, weil ich ihn, wenn ich sie aufhatte, an einen Hasen erinnerte. In der ersten Zeit, da wird wohl manch einer, der etwas von mir übernommen hat, gefragt werden: Von wem hast du das? Und er wird antworten: Von Bruno, der fortgegangen ist; und mehr an Nachfrage wird es sicher nicht geben, denn wer aus eigenem Willen fortgegangen ist, an den denkt man nicht allzugern zurück.
    Ich höre, höre genau, daß einer vor der Tür steht, und ich weiß, daß es Dorothea ist, denn keiner klopft so wie sie an, dreimal kurz mit dem Knöchel; doch ich werde nicht aufmachen. Wenn sie hereinkommt und

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