Lenz, Siegfried

gutem Zureden nahm der Mann in der grünen Uniform es ihm weg, worauf der Junge heftig schnaufte und trampelte und mich dann, einfach indem er die Hände zusammenschlug, um ein neues Stück anbettelte. Lauritzen grinste nur, er sagte: Ihr werdet euch noch alle in den Finger schneiden; und danach schob er kopfschüttelnd ab und zog seinen Sohn mit sich, der nicht vergaß, mir anerkennend zuzunicken.
    Auch der Mann in der grünen Uniform nickte mir zu, er trug Wickelgamaschen und geflochtene Schulterstücke, sein dunkelhäutiges Gesicht war gesprenkelt von hundert bläulichen Punkten, so, als ob er eine Schrotladung abbekommen hätte, mit sanfter Stimme redete er auf den Jungen ein, um ihn zu beruhigen, und dann nahm er einfach meine Hand und beguckte sich die Verletzung, drehte den Finger und prüfte die Tiefe des Schnitts. Bevor er noch etwas sagte, entschied Fräulein Ratzum: Bruno muß verbunden werden, er muß behandelt werden, komm Bruno; da fischte der Mann ohne ein Wort ein Verbandspäckchen aus seiner Brusttasche, riß ohne ein Wort die wasserdichte Hülle auf und verband die Wunde und verknotete die Enden des Verbands locker und fest zugleich an meinem Handgelenk. Es klopfte. Es brannte. Heiß stach es in die Fingerkuppe hinein. So, sagte Fräulein Ratzum, und nun wird unser Bruno seine Vorführung unterbrechen, und ich werde ihn zu Herrn Zeller bringen. Nein, nein, sagte ich, es geht schon, und ich wählte extra umständlich unter Reisern und Unterlagen und beobachtete dabei Heiner Walendy und zwei aus seiner Bande, die vermutlich durch die Quartiere gegangen waren, alle drei rauchten und schoben sich rauchend heran, ich konnte ihnen ihre Spottbereitschaft ansehen und ihre Unternehmungslust, jeder konnte erkennen, daß sie etwas vorhatten, ich glaubte, daß sie es auf mein Veredelungswerkzeug abgesehen hatten.
    Weil der Mann in der grünen Uniform es sich wünschte, führte ich das Pfropfen in den halben Spalt vor; es ging nicht wie sonst, jeder Druck schmerzte, und als ich den Veredelungskopf spaltete und einen Keil herausschnitt, rötete sich der Verband, nicht viel, nicht so, daß es rot suppte, aber doch sichtbar für alle, die meinen Tisch umstanden; den Bast zog ich mit den Zähnen fest. Der Fremde lobte mich, und Fräulein Ratzum sagte: Gut gemacht, Bruno, und wollte das Stück als Andenken haben, doch der tolpatschige Junge sprang mich an und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an meinen Arm, so daß ich nachgeben, ihm das Stück überlassen mußte: wieder biß er darauf, schnaufend und glücklich. Den Geißfuß, den ich danach machte, und der mir nicht so ebenmäßig gelang, wie ich es wollte, steckte ich schnell Fräulein Ratzum zu, die sich derart darüber freute, daß sie ihre altmodische Handtasche aufklappte und ein Fünfzigpfennigstück herausnahm, das sie mir in die Jackentasche steckte, worauf Heiner Walendy und seine Begleiter nur einen Blick tauschten und so nahe herankamen, daß sie meinen Tisch berührten.
    Der sengende Schmerz: ich weiß noch, ich wollte eine Pause einlegen und hätte es wohl auch getan, wenn nicht der Chef mit zwei unbekannten Männern erschienen wäre, schweigsamen Männern, die der Uniformierte zuvorkommend grüßte; der Chef zwinkerte mir zu, er lächelte versteckt, und ich wußte, was sein Lächeln bedeutete, und unter den Augen der unbekannten Männer nahm ich zwei gleichstarke Stücke von Reis und Unterlage, um eine Kopulation mit Gegenzunge vorzuführen. Ich hörte, wie der Chef sie aufmerksam machte auf diese schwierige Art der Veredelung, ich hörte es und fühlte schon, wie der Schmerz nachließ, die zungenförmigen Einschnitte mußten gelingen, so, daß die beiden fremden Partner innig ineinandersaßen und größte Festigkeit erhielten; ich schnitt und setzte Reis und Unterlage zusammen, und ich konnte sie so leicht ineinanderschieben, und sie hatten so viel genauen Kontakt, daß ein Bastverband gar nicht mehr nötig war.
    Die beiden unbekannten Männer hatten kein Wort für mich übrig, sie winkten mir nur zu, der Chef aber sagte: Gute Arbeit, Bruno, und dann gingen sie schon weiter, und ich legte den Bastverband an, wie es erforderlich ist, blickte auf und sah in die Augen von Heiner Walendy. Hier, sagte ich, das ist für dich, ich sagte es wohl aus Angst, und er war so überrascht, daß er nicht einmal die Hand öffnete; ich wiederholte meine Worte, ich sagte auch: Vielleicht macht es dir Freude; da nahm er das Stück ungläubig an und wandte sich um,