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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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und die beiden, die nur grinsten, die es zur Probe auch mal in der Hand halten wollten, die stieß er hart zurück. Maulend folgten sie ihm, in der Senke blieben sie stehen, jetzt durften sie das Stück begutachten, und während sie es taten, winkte Heiner Walendy kurz zu mir herauf.
    Was hat sie nur, was will Magda von mir, jetzt, am hellen Tag, hier in der Packhalle, wo uns jeder sehen kann, es ist doch ihr Wunsch, daß wir uns draußen aus dem Weg gehen, einfach, damit nichts in Umlauf kommt über uns, denn wenn sie erst zu reden anfangen, schwillt ihr Interesse immer mehr an, und sie forschen einen aus und graben einen um, bis nichts mehr übrigbleibt. Was ist denn, Magda, frage ich, und sie sagt: Zur Apotheke, ich muß nach Hollenhusen zur Apotheke, und sie sagt auch gleich: Mich hat keiner gesehen, nur ruhig Blut. Dieser kleine Triumph in ihren Augen, diese Überlegenheit, jeder könnte ihr ansehen, daß sie nicht nur so hier hereingekommen ist, nicht nur, um zu beobachten, wie mein Piassavabesen über den Zementfußboden zischt. Also, was ist, Magda, mach schnell. Sie wartet noch, sie wirft die Lippen auf und setzt sich auf die Mauerkante, unbesorgt, wie einer, der viel auszuspielen hat und dem darum kaum etwas anzuhaben ist. Nu sag schon.
    Nichts, sagt sie, der Chef ist noch nicht entmündigt; sie haben das Entmündigungsverfahren erst eingeleitet. Jetzt weiß ich es genau, alles liegt noch beim Gericht in Schleswig, und das hat noch nichts entschieden, nur eine vorläufige Vormundschaft, so hab ich’s verstanden, die hat es für den Chef angeordnet, eine vorläufige Vormundschaft. Wer hat das eingeleitet, will ich gerade fragen, und da sagt sie von sich aus: Die in der Festung, die haben das Verfahren in Gang gesetzt, alle haben unterschrieben. Sie sieht mich an, sie sagt leise: Frag mich nicht, woher ich das weiß; ich weiß es eben, und du kannst dich darauf verlassen, daß es stimmt.
    Wenn das nur wahr ist! Noch ist es also nicht so weit, noch haben sie es nicht geschafft, den Mann zu entmündigen, dem sie hier alles verdanken; er wird sich wehren, er ist ihnen allen überlegen, und darum wird er zuletzt gewinnen, und ich werde nicht fortgehen müssen. Nicht entmündigt! Der Chef ist noch nicht entmündigt.
    Warum, frage ich, weißt du auch, warum sie das beschlossen und eingeleitet haben? Jetzt ist Magda nicht mehr so sicher, sie zuckt die Achseln, steht auf, linst nach draußen. Es heißt, er leidet an Geistesschwäche, sagt sie, und leise fügt sie hinzu: Es heißt auch, er gefährdet den Familienbesitz, alles hier um uns herum.
    Ich weiß nicht, wie man einen Familienbesitz gefährden kann, darüber hab ich noch nicht nachgedacht, ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er aufs Spiel setzen soll, was er selbst gemacht und hochgebracht hat in vielen Jahren, ich kann es nicht glauben, von ihm nicht, der einmal im Namen von allen Gartenbaumschulen sprach und Bürgermeister von Hollenhusen war und viele Auszeichnungen bekommen hat und in einem Frühjahr den Minister durch unsere Kulturen führte. Er ist doch der Chef, ihm gehört doch hier alles, und keiner hat soviel zu sagen wie er, keiner.
    Wie macht er das, Magda? Wodurch gefährdet er alles? Genaues weiß ich nicht, sagt sie, aber oben, da haben sie von einem Vertrag gesprochen, den er selbst in Schleswig aufgesetzt hat, von einem Schenkungsvertrag. Sie muß gehen, gleich kommt noch die Warnung, ja, ich verspreche es, von mir wird keiner etwas erfahren, niemals, es ist gut, daß du gekommen bist, Magda, daß ich das nun weiß, und geh nicht zwischen den Gleisen.
    Am liebsten würde ich zu ihm hinrennen, einfach in die Festung, einfach an Dorothea und Ina vorbei in den Raum, wo er allein sitzt, und ich möchte ihn nichts fragen, denn das steht mir nicht zu, nur meine Hilfe, die möchte ich ihm anbieten, wenn etwas zu überbringen ist oder wenn etwas ausgekundschaftet werden muß, ich könnte es übernehmen.
    Sie haben alles erst eingeleitet, es ist noch nichts entschieden, da werden sie wohl auf seinen Widerstand gefaßt sein müssen, denn wer den Chef entmündigen will, der muß schon früh aufstehen und einiges vorzubringen haben, mir jedenfalls ist noch nie aufgefallen, daß er den Familienbesitz gefährdet oder daß er an Geistesschwäche leidet; was die einem alles nachsagen können! Wovor haben sie bloß Angst, er hat doch immer die Verträge entworfen, unterschrieben, alles hing nur an seiner Unterschrift, was können sie auf einmal

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