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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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gemacht wurde – gerodetes Laubgehölz muß entblättert werden, weil es sonst schnell vertrocknet. Zufällig sah der Chef die Teilnahmebedingungen bei seinem Vater; der machte nicht mit, der gehörte zu der Kommission, die die beste Antwort auf die Preisfrage ermitteln und dann preiskrönen sollte; dreihundert Mark, sagte Dorothea, waren ausgesetzt, und obwohl der Chef erst siebzehn war und deshalb noch gar nicht mitmachen durfte, hat er sich heimlich die Bedingungen abgeschrieben und hat draußen, an Orten, wo er nicht erwischt werden konnte, die Preisfrage auf seine Art beantwortet. Stubben dienten ihm als Unterlage, Bretter, eine alte Schubkarre, nur die Zeichnungen von der Entblätterungstrommel, die ihm eingefallen war, die hat er im verschlossenen Zimmer gemacht – seine Standtrommel, bei der es ihm darauf ankam, die Triebe zu schonen. Dann hat er alles in einem großen Umschlag in die Stadt geschickt, zu dieser Landwirtschaftskammer, keiner wußte etwas davon.
    Das zog sich hin und dauerte, manchmal dachte er schon, sein Beitrag sei verlorengegangen, und als er bereits für sich beschloß, alles zu vergessen, da wurde er an einem Abend zu seinem Vater gerufen. Der sagte zuerst nur: Gratuliere, du hast den Vogel abgeschossen; doch nach einer Weile sagte er auch: Du wirst den Preis natürlich nicht annehmen. Da mußte sich der Chef erst einmal hinsetzen, wie auf einem Schüttelrost ist er sich vorgekommen, denn sein Vater beglückwünschte ihn noch einmal zu seiner Arbeit, sagte ihm aber auch noch einmal, daß er den Preis nicht annehmen könne, einfach, weil sonst alle behaupten würden, daß hier die Familie eine Sache unter sich abgemacht hat.
    Das hat der Chef eingesehen, und er hat sich noch am gleichen Abend hingesetzt und an die Kommission einen Brief geschrieben, in dem er um die Rücksendung seiner Preisarbeit bat, vor allem aber bat er darum, ihm den ausgesetzten Preis nicht zuzuerkennen. Sein Vater sorgte dafür, daß das auch geschah. Kaum hatte der Chef aber seine Arbeit zurückbekommen, da schickte er sie schon wieder weg, diesmal an einen alten Diplomgärtner aus Johannesburg, der sich ebenfalls an der Beantwortung der öffentlich ausgeschriebenen Preisfrage beteiligt hatte, und der nun, wie der Chef aus den Papieren seines Vaters erfahren hatte, an seiner Stelle ausgezeichnet werden sollte. Plinski hieß der Diplomgärtner und war überall bekannt für sein Buch über die Krankheiten der Gehölze. Der ließ nichts von sich hören, der schwieg und tat gerade so, als ob er die Sendung des Chefs mit den Zeichnungen von der Entblätterungstrommel nie erhalten hätte; doch einen Tag vor der Preisübergabe in dieser Landwirtschaftskammer, da schickte er ein wortarmes Telegramm, es war das erste Telegramm, das der Chef in seinem Leben bekam, und es forderte ihn auf, in die Stadt zu kommen aus bekanntem Anlaß.
    Nicht gemeinsam mit seinem Vater, allein ist der Chef dorthin gefahren, wo die festliche Verleihung stattfand; er hat ganz hinten gesessen, in der Deckung eines Gummibaums, und nach Musik und Begrüßung und Überreichung der Urkunden hat Plinski, der alte Diplomgärtner, eine Rede gehalten, die Dankrede sein sollte, aber es nicht wurde. So wichtig ihm seine eigene Arbeit auch war – er hatte wohl Vorschläge gemacht, wie der Wuchsstoffgehalt im Blatt künstlich zerstört werden kann –, noch bedeutender erschien ihm die Antwort, die ein junger Sachkundiger auf die Preisfrage gegeben hatte, und dann hat er die Gedanken und Ideen des Chefs wiederholt, hat auch die neue Entblätterungstrommel vorgestellt, die so konstruiert war, daß die Triebe mehr als bisher geschont wurden, und zum Schluß hat er einfach erklärt, daß er mit seiner fünfzigjährigen Erfahrung wohl übersehen könne, wem der erste Preis zusteht. Ist dann einfach, der Plinski, durch den Saal gegangen bis zum Gummibaum, hat den Chef dort aus dem Versteck gezogen und ihn bekannt gemacht mit den Anwesenden, und nicht nur dies: nachdem er ihm den Geldbetrag überreicht hatte, wandte er sich an die Kommission und bat sie um die Ausfertigung einer entsprechenden Urkunde; er wollte sich, mit seiner fünfzigjährigen Erfahrung, zufriedengeben mit dem zweiten Preis.
    Nach Hause sind sie dann aber gemeinsam gefahren, der Chef und sein Vater, viel geredet wurde nicht, doch als sie in den eigenen Quartieren ankamen, da hat der Vater gesagt: Die Trommel, du Lachodder, dies Wunderding, die bleibt erst einmal bei uns.
    Es hätte nicht viel

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