Lenz, Siegfried
dagegen haben? Ich weiß nicht, was es auf sich hat mit einem Schenkungsvertrag, aber wenn er ihn aufsetzt, wird es schon zu etwas gut sein. Wenn ich nur in seiner Nähe bleiben kann, ich würde ihn überallhin begleiten, ihn, der immer gut zu mir war.
Er sah gleich, daß der Verband, den mir der Mann in der grünen Uniform angelegt hatte, durchgeblutet war, er löste ihn, als wir allein waren, er untersuchte die Wunde und verband sie von neuem, und dann sagte er nur: Komm, Bruno, für dich ist Feierabend, und mehr sagte er vorerst nicht. Er hat mich hinuntergeführt zu der bekränzten Pforte, wo Joachim seine Lose verteilte und Ina die aufgereihten Gewinne überreichte, Blumen und Staudenpflanzen vor allem, aber auch Beerensträucher, es waren meist Fremde, die die Gewinne wegtrugen, von den Hollenhusenern waren fast nur die Geschäftsleute gekommen, und die hielten sich bei allem zurück, zeigten das einzige Interesse an der Verschönerung von Blumenkästen und Schalen. Die Alte in ihren Lumpen aus Sackleinen hatte immer noch die meisten Zuhörer, bei ihr ging es hin und her mit komischen Fragen und dunklen Antworten, da wurde gelacht, da erschreckte man sich und drohte einander spaßhaft, und immer wieder verblüffte die Alte ihre Zuhörer durch nie gehörte Ratschläge. Auf alles wußte sie etwas zu sagen: um Blumen haltbar zu machen, riet sie, etwas von der getrockneten und zerstoßenen Wurzel der Schwertlilie ins Wasser zu tun; gegen Diebstahl empfahl sie nach tiefem Bedenken ein Büschel Gnadenkraut; einem, der unbedingt nach Geistern sehen wollte, schlug sie vor, wilden Thymian und die Knospen von Stockrosen unter seinen Salat zu mischen, und gegen Schnecken wußte sie nur ein Mittel: Bier und nochmals Bier. Das stand auch in ihrem zerplieserten Handbüchlein, in dem sie mitunter las und das sie, wenn sich Zweifel regten, zum Beweis hochhielt.
Wie sie plötzlich von ihrer Kiste herabsprang, so leicht, daß alle staunten, und wie sie auf mich zuschoß, meinen Arm packte und mich mit sich zog und zerrte, da wußte ich noch nicht, daß der Chef sich heimlich mit ihr besprochen hatte, da ahnte ich noch nicht, daß sie mich nach Hause bringen wollte, zum Kollerhof; ich war so verwirrt, daß ich mich nur ungelenk bewegte, während sie zischte und fauchte zur Freude der andern.
Wir flohen, sie zielstrebig, ich man unsicher und mehr mitgerissen als freiwillig, so daß es nach einer Entführung aussehen konnte, bis zur Windhecke ging das so, und nachdem wir die hinter uns hatten, nahmen wir uns an die Hand und glitten die Böschung hinab zum Bahndamm, wo uns keiner mehr erkennen konnte. Hier haben wir uns erst einmal hingesetzt, und Dorothea hat ihr Kopftuch abgenommen und lange gepumpt, bis ihr Atem sich beruhigt hatte, und dann hat sie gesagt: Ich glaube, Bruno, es hat sich gelohnt, wir können alle zufrieden sein. Und sie hat auch gesagt: Es wäre noch einfacher mit ihnen, wenn sie sich mit den Geheimnissen, die man ihnen anbietet, zufrieden gäben, aber die Hollenhusener, die wollen sie außerdem erklärt haben, die Geheimnisse. Sie prustete vergnügt, ließ die Lippen flattern wie ein Fohlen, und dann war sie es, die mich hochzog und sagte: Jetzt aber schnell nach Hause, wir müssen deine Wunde behandeln.
Noch mit den Säcken behängt, hat sie Wasser aufgesetzt, Seife geraspelt und den Finger in warmer Seifenlauge gespült; dann hat sie etwas aufgepinselt, das brannte und zog, und um den Schmerz zu mildern, hat sie meine Hand gestreichelt, leicht strichen ihre Finger über meine Finger, diese Kühle, diese Besänftigung, ein paarmal hat sie auch die Wunde behaucht, und nachdem sie einen frischen Verband angelegt hatte, murmelte sie einen heiteren Hexenspruch und machte Zeichen und versicherte, daß die Heilung schon begonnen habe. Dann gab es Brote mit Blutwurst und eine Schale Birnenkompott, und Dorothea hat neben mir gesessen und sich gewundert, wie schnell ich mit allem fertig wurde, sie hat mir immer mehr gebracht, und in ihrer Freude hat sie vom Chef erzählt, von seinen Ideen und seiner Ausdauer und auch davon, daß er es mit jedem aufnimmt, wenn es sein muß, wenn es um sein Recht geht.
Einmal, das war noch in Rominten, als sie in den Quartieren des Sonnenaufgangs lebten, da hat eine Stelle, ich glaube, die Landwirtschaftskammer, eine Preisfrage öffentlich ausgeschrieben, es ging um das Entlauben gerodeter, zum Versand bestimmter Pflanzen im Herbst, um das Entblättern, das damals noch von Hand
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