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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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Mühen und Anstrengungen für die Katz, dennoch forderte sie den Chef nicht auf, Schluß zu machen und das Feld beizeiten zu räumen; das tat sie nicht.
    An einem Abend, wir waren noch unten bei ihnen, saßen noch vor den leergegessenen Tellern, da hat der Chef plötzlich erklärt: Wir veranstalten einen Tag der offenen Tür; wenn sie nicht von sich aus kommen, dann laden wir sie eben offiziell ein, laden jeden ein, mit uns und unserer Arbeit in den Kulturen bekannt zu werden. Da keiner von uns etwas auf seinen Vorschlag zu sagen hatte, ist er aufgestanden und langsam um den Tisch gegangen, und dabei ließ er sich einfallen, was zu solch einem Tag der offenen Tür gehören mußte, das fing bei den Einladungen und Bekanntmachungen an und hörte auf bei Demonstrationen und Ratschlägen für jedermann. Führungen sollte es geben, Ewaldsen und zwei Halbtagsarbeiter sollten zeigen, wie Beerensträucher und immergrüne Gehölze und Rosen und Obstbäume gepflanzt werden; Tips sollten gegeben werden, wie Schalen, Kübel und Kästen schön gemacht werden könnten, die Kunst der Veredlung sollte vorgeführt werden, und für den Schluß dachte sich der Chef eine Verlosung seltener Pflanzen aus.
    Was meint ihr, fragte er, und das brauchte er nicht zu fragen, denn Ina war schon bereit, kolorierte Einladungen zu entwerfen, mit Bäumen, die sich verneigten, mit Sträuchern, die einen heranwinkten; sie übernahm es auch gleich, eine Anzeige in der Schleswiger Zeitung aufzugeben und überhaupt für die Verteilung der Einladungen zu sorgen. Joachim wurde dazu eingeteilt, die Kasse zu verwalten und am Ende des Tages die Verlosung zu leiten, er wußte auch sofort, wo er sich eine Kasse leihen konnte und wie die Lose aussehen sollten, jedes sorgfältig geschnitten und eingerollt und mit einem Gummibändchen zusammengehalten. Als der Chef auf einmal hinter mir stehenblieb, ahnte ich schon, daß er auch für mich eine Aufgabe gefunden hatte; seine Hände legten sich auf meine Schultern, und über mich hinweg sagte er: Keiner veredelt so geschickt wie Bruno; er wird alle Arten der Veredelung vorführen, er wird nicht nur alle Pfropfmethoden zeigen, sondern auch eine Kopulation mit Gegenzungen ausführen. Bei Bruno wird es was zum Staunen geben. Das hat er gesagt. Weil er selbst die beiden geplanten Führungen übernehmen und sich außerdem um alles kümmern wollte, blieb zuletzt nur Dorothea übrig – wenn Max nicht gerade fortgefahren wäre, hätte der Chef gewiß auch ihn angestellt –, sie wollte nicht zuhause bleiben, sie wollte auf ihre Art etwas beitragen zum Tag der offenen Tür, und als der Chef ihr vorschlug, alle Gäste mit einer Blume zu begrüßen, sagte sie nein und lächelte und dachte noch ein bißchen nach, und dann entschied sie: Ich werde meinen eigenen Auftritt haben, ihr werdet euch wundern, ich werde mich zurechtmachen und meinen eigenen Auftritt haben, wartet nur ab.
    Denke ich an unsern Tag der offenen Tür, dann sehe ich zuerst immer Ina über den Einladungen sitzen, dann höre ich Hammerschläge von hierher, wo der Chef mit zwei Männern einen provisorischen Versandschuppen hochzog, dann schaue ich Joachim beim Schneiden und Beschriften der Lose zu und spüre noch einmal mein eigenes Flattern beim Üben mit der Schwunghippe, mit dem Schnelläugler und dem Okuliermesser.
    Dorothea, die saß in der Zeit der Vorbereitung viel für sich, las und machte sich Notizen, manchmal schmunzelte sie, manchmal explodierte sie vor Lachen, und wenn einer von uns wissen wollte, worüber sie lachte, dann legte sie einen Finger auf die Lippen und senkte den Blick. Alle waren aufgeregt, sogar die Katze, die uns zugelaufen war; kaum hatte ich sie rausgelassen, da miaute sie schon wieder am Fenster und wollte rein und sprang dann nacheinander jedem auf den Schoß, Stumpe, unsere gelbgefleckte Katze.
    Weil alle sich das wünschten, kam unser Tag der offenen Tür schnell heran, ein Herbsttag, der Wind plünderte schon sachte die Knicks, die Hecken, ein paar verspätete Schwalben stichelten noch an ihren Mustern, es war klar, es war sonnig, auch wenn die Sonne den Tau nicht mehr schaffte, und als wir in der Sonntagsfrühe vom Kollerhof aufbrachen, plinkerten wir uns zu und schleppten unsere Sachen zuversichtlich zu den Kulturen hinüber. Was Dorothea in einem Sack auf dem Rücken trug, das blieb auch jetzt ihr Geheimnis, sie wollte nicht, daß ich den Sack auch nur befühlte, sie trug ihn selbst bis zur Senke und verschwand mit ihm in der

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