Leonardo und die Verschwoerer von Florenz Teil 1 von 3
einer Flugmaschine möglichst naturgetreu nachzubauen: Die Flügel von Vögeln, die von Fledermäusen oder vielleicht doch besser die von Insekten, die sich leider so schnell bewegten, dass man sie eigentlich gar nicht richtig in Aktion sehen konnte.
Einer Weile lauschte Leonardo den Vogelstimmen, die von draußen in die Höhle drangen.
Er hörte allerdings, so sehr er sich auch anstrengte, keine Männerstimmen sprechen. Vermutlich schliefen die Banditen noch, die als Wächter zurückgelassen worden waren.
Es dauerte eine Weile, bis Carlo und Luca ebenfalls erwachten.
„Ist die ganze Bande verschwunden und hat uns hier allein zurückgelassen?“, wandte sich Leonardo an Luca.
Aber dieser schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Obwohl sie das natürlich tun könnten, schließlich haben wir keine Chance, aus diesem Loch herauszukommen. Aber in den letzten Tagen tauchte immer jemand auf, um mir etwas zu essen zu bringen. Und zwischendurch hörte man auch Stimmen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wer weiß, vielleicht sind sie auch nur mal kurz zu einem Bach gegangen, um sich zu waschen und frisches Wasser zu holen.“
„Wie war das, als du entführt wurdest?“, erkundigte sich Leonardo.
„Erzähl mir davon.“
„Ich sollte mit einer Kutsche zu meinem Onkel Maurizio nach Pisa gebracht werden, um dort ein paar Wochen zu bleiben“, berichtete Luca. „Aber schon kurz nachdem wir die Mauern von Florenz nicht mehr sehen konnten, kam ein Trupp maskierter Reiter aus dem Wald und hat uns überfallen. Einer von ihnen hat eine Arkebuse abgefeuert, sodass die Pferde völlig von Sinnen waren.“
Was eine Arkebuse war, davon hatte Leonardo schon gehört. Mann nannte dieses Gewehr auch Hakenbüchse, weil ein Metallhaken eine brennende Lunte an das Pulver brachte, dass dann explodierte und die Kugel durch den Lauf schoss. Feuerwaffen fanden immer mehr Verbreitung – und das auch deshalb, weil sie relativ leicht zu bedienen waren und man nicht erst jahrelang üben musste wie bei Langbogen oder der Armbrust.
„Diese Männer scheinen ja so gut ausgerüstet zu sein wie die Soldaten der Stadtwache von Florenz!“, stellte Leonardo fest. „Auch ihre Schwerter und Armbrüste! Die Gesichter dieser Banditen konnte ich ja nicht sehen, aber von ihrer Ausrüstung her waren das nicht irgendwelche dahergelaufenen Lumpen!“
„Du hast recht“, gab Luca zu. „Und um ehrlich zu sein, ich vermute, dass hinter meiner Entführung irgendein geschäftlicher Konkurrent meines Vaters steht. Ein anderes Handelshaus vielleicht, dass die Familie di Gioia aus dem Geschäft drängen will!“
„Du meinst, diese Verbrecher haben im Auftrag gehandelt?“
„Ja. Sieh mal, mein Vater hätte das Lösegeld sofort bezahlt. Wenn das ein paar normale Wegelagerer wären, befände ich mich doch längst auf freiem Fuß und die Banditen über alle Berge. Aber diese Männer warten. Sie wollen den Preis in die Höhe treiben und meinen Vater damit ruinieren. Das denke ich jedenfalls.“
Carlo meldete sich nun zu Wort. „Macht sich hier eigentlich auch noch mal jemand Gedanken darüber, wie wir aus dem Loch kommen?“
„Wenn du eine gute Idee hast, Carlo – dann bitte!“, gab Leonardo zurück.
Es dauerte noch eine Weile, bis schließlich einer der Entführer am Rand der Grube auftauchte und etwas zu essen hinunterließ. Es war wieder Brot und Wasser und paar Weintrauben. Der Käse fehlte diesmal. Leonardo nahm an, dass einer der Kerle ihn für sich genommen hatte.
Aber da allen drei Jungen der Magen knurrte, teilten sie das Brot auf und aßen es bis zum letzten Bissen. Selbst Luca war diesmal nicht so wählerisch.
Das Wasser schmeckte frischer als am vorhergehenden Tag. Zeitweise hörten sie während des Tages ein paar Bruchstücke aus der Unterhaltung der Männer. Dann knallte etwas. Mehrere Schüsse donnerten.
„Die ballern jetzt aus purer Langeweile mit ihrer Arkebuse herum!“, meinte Luca. „Aber das bedeutet, dass ihr Anführer nicht da ist, denn vor zwei Tagen hat er sie deswegen schon mal angeschimpft.“
„Meinst du, das hört man in Vinci?“, fragte Carlo. Leonardo zuckte mit den Schultern. „Schon möglich, aber man wird wahrscheinlich wohl glauben, dass der Schuss von einem Jäger verursacht wurde!“, erwiderte Leonardo.
Die zweite Nacht kam Leonardo noch schrecklicher als die erste vor. Als das Rascheln der Fledermausflügel wieder begann, wusste er, dass er es einfach nicht länger hier aushalten konnte.
Weitere Kostenlose Bücher