Banatsko (German Edition)
BATTONYA
Es war Sommer, als ich nach Battonya kam. Die Eisenbahnstrecke war zu Ende. Die Gleise versickerten ein paar hundert Meter weiter in Gestrüpp und Schotterhaufen. Der Bahnhof war klein und alt, der gelbe Putz blätterte ab. Die Bahnsteigveranda trug ein holzgeschnitztes Giebeldach, blaugrün und verwittert. Im Giebel stand ›Battonya‹. Drähte hingen aus den Metallbuchstaben, als wäre der Name früher in der Dunkelheit erleuchtet gewesen.
Auf der Veranda saßen zwei Männer in hellblauen Hemden. Bitte Ihre Papiere, sagten sie. Sie betrachteten meinen Ausweis und zeigten auf die Straße, die in den Ort führte. Dann drehten sie den Oberkörper und machten in schönem Einvernehmen eine träge Gebärde mit dem Arm. Dort, sagten sie wie aus einem Mund, dort ist die Grenze und dahinter schon das andere Land. Ihre Hände wiesen dabei ungefähr auf ein Feld, auf dem Klatschmohn blühte.
Der Fahrplan im Warteraum war sorgfältig handgeschrieben und zeigte sechs Züge an, die ankamen und abfuhren. An dem kleinen Schalterfenster saß eine Frau mit übereinandergelegten Händen. Sie nickte freundlich, schaute in den Warteraum, in dem eine zerkratzte Holzbank stand. Wahrscheinlich konnte sie von ihrem Schalter aus auch durch das Fenster des Warteraums auf die Veranda blicken und zwischen den Pfosten der Veranda hindurch auf ein Stück der Gleise, das Ende des Zuges und das dahinterliegende Gestrüpp. Ein Streifen Sonne lag auf ihren Fingerknöcheln.
Am Fenster summten Fliegen. Hinter der Kassenkammer stand eine Glastür offen. An einem Kleiderständer hing eine Jacke. Die Fliegen zogen ihre Kreise um eine dreiarmige Lampe an der Decke. Ein Radio murmelte und aus der Ferne, wie aus der Tiefe weiterer Räume, hörte man eine Frau auflachen.
Vor dem Bahnhof blühten magere Blumen in einem kleinen Vorgarten, zwei kleine Kinder in Unterhosen winkten hinter dem Zaun. Auf dem verwitterten Schild neben dem Bahnhofseingang stand ›Bahnhof‹ auf Ungarisch, Serbisch und Rumänisch.
Ich trug schwer an meinem Koffer unter dem Gebell der Hunde, die hinter den hohen Hoftoren anschlugen. Katzen hockten rundbucklig im Gras am Straßenrand. Vor einer geöffneten Kneipentür war ein Rollstuhl umgekippt, in der Kneipe saßen Männer still an hellen Tischen und starrten mit starr hochgerecktem Kopf aus der Tür oder dem Fenster. Die Frau an der Theke fuhr mit der Hand auf und ab über den Bauch einer Getränkemaschine.
Alle Straßen verliefen schnurgerade, und am Ende jeder Straße lag der Horizont. Fahrräder, Fuhrwerke, Autos kreuzten das Blickfeld, tauchten auf, verschwanden, langsame, bewegliche Figuren auf einem großen Panorama. Ich sah mich selbst mit meinem Koffer gehen, das Blickfeld eines anderen kreuzend, eines Mannes, einer Frau, eines Kindes, die unter der an die Stirn gelegten Hand Ausschau hielten, werweißwonach, die gingen, fuhren, standen, verharrten, die sich anschickten fortzugehen oder einen Heimkehrer erwarteten. Hier, wo alle Straßen in die Ferne führten, schien das Gehen, Sehen, Kreuzen des Blicks eine unaufhörliche große Bewegung, ein Schaukasten des leisen Welttheaters, ein Aufziehspiel, das nie zu Ende ging.
Dünner Staub bedeckte alles, bei jedem Schritt wirbelte eine kleine Wolke empor, ein Wind kam auf, kleine Trichter bildeten sich, schwebten dicht über dem Boden. Sand kreiselte um ein vorzeitig abgefallenes trockenes Blatt, ein Zigarettenstummel gesellte sich in den Strudel, ein Schokoladenzellophan, ein Lospapier. Wenn der Wind sich legte, sackten die Wirbel in sich zusammen.
Am Abend wurde die Luft klebrig vom Geruch der Lindenblüten. Paare glitten durch den lauen Dämmer, Männer führten auf dem Fahrrad ihre Liebsten aus, die auf der Querstange saßen. Die Frauen hatten eine anmutige, reglose Haltung eingenommen, die Beine artig aneinandergelegt und ausgestreckt, die Hände um kleine Handtaschen gefaltet. Die Taschen hielten sie an den Bauch gepresst. Aus Kneipen fiel Licht auf den Schotter oder das Stück Straße davor, die Gäste schauten, lachten, schwiegen, halb drinnen, halb draußen, hier und da spielte Musik. Vor einem geschlossenen Zeitungskiosk an einer großen leeren Kreuzung lehnten sich junge Männer an ihre Autos und zerhackten die Klänge aus den Autoradios mit ihren Rufen. Jemand fuhr davon, ein anderer kam an, der Davonfahrer kehrte in einer Schleife zurück.
Der Sonnenuntergang hatte einen schmutzigen Streifen am Horizont hinterlassen. Ich fand ein Quartier kurz
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