Leopard
automatisch glauben, dass ihm auch die anderen Anschuldigungen nachgewiesen werden konnten. Ja, dass die Beweise so einfach und unwiderruflich waren, dass sie gleich zur nächsten Frage kommen konnten, dem Warum.
Bellman sah Leike schlucken und in einem unsicheren Lächeln die weißen, kachelgroßen Zähne entblößen. Er sah den verwirrten Blick seines Gegenübers und war sich seines Sieges sicher.
»Ich habe keinen Elias Skog angerufen«, sagte Leike.
Bellman seufzte: »Soll ich Ihnen das Protokoll der Betriebszentrale von Telenor zeigen?« Leike zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht angerufen. Ich habe vor einiger Zeit ein Handy verloren. Vielleicht wurde dieser Skog ja von dem aus angerufen.«
»Versuchen Sie nicht, smart zu sein, Leike. Wir reden von Ihrem Festnetzanschluss.«
»Ich sage Ihnen doch, ich habe ihn nicht angerufen.«
»Das höre ich. Laut Adressregister wohnen Sie allein?«
»Ja. Das heißt …«
»Ihre Verlobte übernachtet hin und wieder bei Ihnen. Und manchmal stehen Sie vor ihr auf und fahren zur Arbeit, während sie noch in der Wohnung ist.«
»Das kommt vor. Aber ich bin öfter bei ihr.«
»Ach nein, hat Reeder Galtungs Tochter ein schickeres Nest als Sie, Leike?«
»Mag sein, auf jeden Fall gemütlicher.«
Bellman verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte. »Wie dem auch sei, wenn nicht Sie aus Ihrem Haus Skog angerufen haben, muss sie es gewesen sein. Ich gebe Ihnen fünf Sekunden, endlich Vernunft anzunehmen, Leike. Danach gebe ich den Befehl, mit Blaulicht und Sirenen zu Ihrem gemütlichen Nestchen zu fahren, Ihre Verlobte in Handschellen hierherzuholen, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihren Vater anzurufen und ihm zu erzählen, dass Sie ihr die Schuld in die Schuhe schieben, Skog angerufen zu haben. Die Folge wird sein, dass Anders Galtung eine ganze Herde der gefürchtetsten Anwälte Norwegens für seine Tochter engagiert und Sie sich einen wirklichen Feind gemacht haben. Vier, drei.«
Leike zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie der Meinung sind, dass das reicht, um ein bislang ganz und gar unbescholtenes Mädchen verhaften zu können, bitte sehr. Ich habe nur das Gefühl, dass nicht ich mir damit Feinde mache.«
Bellman betrachtete Leike. Hatte er ihn doch unterschätzt? Er war jetzt schwieriger zu bewerten, aber mit Schritt eins waren sie ohnehin fertig. Ohne Geständnis. Egal, ihm blieben ja noch acht weitere. Schritt zwei des neunstufigen Modells zielte darauf ab, mit dem Verdächtigen zu sympathisieren, indem man seine Tat bagatellisierte. Doch um die Tat bagatellisieren zu können, musste man das Motiv kennen, das ihr zugrunde lag. Und das Motiv für die Morde an sämtlichen Gästen, die rein zufällig in derselben Nacht in einer Berghütte übernachtet hatten, war nicht offensichtlich. Da half auch die Tatsache nicht, dass die meisten Serienmörder Motive hatten, die in den Tiefen ihrer Seele verborgen lagen, wohin die wenigsten von uns jemals vordrangen. Bei der Vorbereitung der Vernehmung hatte sich Bell-man deshalb entschlossen, den Punkt Sympathie nur kurz zu streifen, um dann gleich zum nächsten Punkt zu kommen, der Motivation: Er musste dem Verdächtigen einen Grund geben, ein Geständnis abzulegen.
»Eins müssen Sie wissen, Leike, ich bin nicht Ihr Gegner. Ich möchte nur verstehen, warum Sie getan haben, was Sie getan haben. Was Sie antreibt. Sie sind ganz offensichtlich eine ehrgeizige, intelligente Person. Sehen Sie doch nur, was Sie beruflich erreicht haben. So etwas fasziniert mich, mich beeindrucken Menschen, die sich ein Ziel setzen und es verfolgen, egal was die anderen davon halten. Menschen, die sich von dem Mittelmaß abheben. Ich wage sogar zu sagen, dass ich mich in Ihrem Streben wiedererkenne. Es kann gut sein, dass ich Sie besser verstehe, als Sie glauben, Tony.«
Bellman hatte einen Ermittler bei einem von Leikes Börsenfreunden anrufen lassen, um sich zu erkundigen, wie dieser seinen Namen ausgesprochen haben wollte. Touny, Tony oder Tonny. Die Antwort war Tony. Bellman kombinierte die richtige Aussprache mit dem Versuch, Leikes Blick einzufangen und festzuhalten.
»Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, das ich Ihnen eigentlich gar nicht erzählen dürfte, Tony. Nämlich, dass wir aufgrund gewisser interner Umstände extrem wenig Zeit für diesen Fall haben, weshalb wir gerne ein Geständnis hätten. Normalerweise würde ich einem Verdächtigen, gegen den wir so eindeutige Beweise in der Hand haben, keinen Deal anbieten, aber
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