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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Gewalttäter vorstellen, hatte aber Mühe, in ihm einen Mann zu sehen, der eine Frau vergewaltigte, die mit einem anderen Mann zusammen auf der Hütte war. Laut Elias Skog hatte er ihr den Mund zugehalten und sie in das Klohäuschen gezerrt. War es am Ende vielleicht doch keine Vergewaltigung gewesen?
    Und plötzlich – schlagartig – passte alles zusammen.
    Harry sah es ganz klar vor sich.
    Es war keine Vergewaltigung. Und genau das war das Motiv.
    Die Autos hinter ihm hupten. Die Ampel war auf Grün umgesprungen.
KAPITEL 67
    Hechtangeln
    E s war Viertel vor acht, und dem Tag fehlten noch alle Farben und Kontraste. Das graue Morgenlicht zeigte die Landschaft in einer körnigen Schwarzweißversion, als Harry neben dem einzigen anderen Fahrzeug in Voyentangen parkte und zu dem schwimmenden Anlegesteg hinunterschlenderte. Dorfpolizist Skai stand mit einer Angelrute in der Hand und einer Zigarette im Mundwinkel an der äußeren Stegkante. Nebelschwaden hingen wie Wattebäusche über den Spitzen des Schilfgrases, das aus der schwarzen, ölig glatten Wasserfläche ragte.
    »Hole«, sagte Skai, ohne sich umzudrehen. »So früh auf den Beinen?«
    »Ihre Frau hat gesagt, dass ich Sie hier finde.«
    »Jeden Morgen von sieben bis acht. Die einzige Möglichkeit, meine Gedanken zu sortieren, bevor der Stress losgeht.«
    »Schon was gefangen?«
    »Nichts. Aber dahinten im Schilf verstecken sich die dicken Hechte.«
    »Kommt mir bekannt vor. Befürchte, der Stress geht heute für Sie etwas früher los. Es geht um Tony Leike.«
    »Tony, ja. Der Hof seines Großvaters liegt in Rustad, am Ostufer des Lyseren.«
    »Sie kannten ihn gut?«
    »Das ist hier ein kleiner Flecken, Hole. Mein Vater und der alte Leike waren gute Bekannte, und Tony war jeden Sommer bei ihm.«
    »Wie haben Sie ihn in Erinnerung?«
    »Naja. Witziger Typ. Tony war beliebt. Besonders bei den Frauen. Er hatte Charme, war ein bisschen wie Elvis und gab sich immer ein wenig geheimnisvoll. Es hieß, er wäre allein bei seiner unglücklichen, alkoholkranken Mutter aufgewachsen, bis sie ihn rausgeschmissen hat, weil der Mann, mit dem sie zusammen war, ihn nicht leiden konnte. Aber die Frauen hier haben ihn angeschmachtet. Und er sie. Damit hat er sich mitunter ziemlichen Ärger eingehandelt.«
    »Zum Beispiel, als er Ihrer Tochter nachgestellt hat?« Skai zuckte zusammen, als hätte ein Fisch angebissen.
    »Ihre Frau«, sagte Harry. »Ich hab sie nach Tony gefragt, und da hat sie gleich erzählt, dass Tony und dieser Junge aus der Gegend sich um Ihre Tochter geprügelt haben.«
    Skai schüttelte den Kopf. »Das war keine Schlägerei, das war das reinste Schlachtfest. Armer Ole, er hatte sich eingebildet, er und Mia wären ein Paar, weil er verliebt in sie war und mit ihr und ihren Freundinnen in die Disco hatte gehen dürfen. Er war kein Raufbold. Ole war gut in der Schule. Aber er ist auf Tony losgegangen. Und der hat Ole zu Boden gestreckt, das Messer gezogen und … Das war wirklich furchtbar, wir sind so was hier draußen nicht gewohnt.«
    »Was hat er gemacht?«
    »Er hat ihm die halbe Zunge abgeschnitten, sie in die Tasche gesteckt und ist weggegangen. Wir haben Tony eine halbe Stunde später bei seinem Großvater aufgegriffen und darauf gedrängt, dass die Zunge so schnell wie möglich in den Operationssaal gebracht werden müsse, aber Tony sagte nur, er habe sie den Krähen hingeworfen.«
    »Was ich Sie eigentlich fragen wollte: Haben Sie Tony mal der Vergewaltigung verdächtigt? In diesem speziellen Fall oder irgendwann sonst?«
    Skai holte rasch Schnur ein.
    »Lassen Sie es mich so sagen, Hole. Mia wurde nie wieder das alte, fröhliche Mädchen. Sie wollte diesen Verrückten noch immer, natürlich, so sind die Mädels eben in dem Alter. Und Ole zog weg. Jedes Mal, wenn er den Mund aufmachte, wurden er und die anderen an die grauenvolle Demütigung erinnert. Doch, ja, ich würde sagen, dass Tony Leike ein Vergewaltiger ist. Aber ich glaube nicht, dass er jemanden sexuell missbrauchen würde. Denn sonst hätte er das sicher auch schon bei Mia versucht, um es mal so auszudrücken.«
    »Sie … ?«
    »Sie waren im Wäldchen hinter der Disco. Sie hat Tony nicht rangelassen. Und er hat es akzeptiert.«
    »Sind Sie da ganz sicher? Entschuldigen Sie, dass ich das fragen muss, aber es ist …«
    Der Haken schoss aus dem Wasser und flog im ersten, horizontalen Sonnenstrahl des Tages aufblitzend auf sie zu.
    »Schon in Ordnung, Hole. Ich bin Polizist. Ich weiß, was Sie

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