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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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theoretisch reicht ein Tropfen.«
    »Und dann wollte ich Sie noch fragen, ob Sie uns heute Abend zu einer Festnahme begleiten können?«
    »Ich? Habt ihr denn keine Rechtsmediziner …«
    »Speziell über diese Dinge wissen Sie besser Bescheid. Und ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann.«
    Altman zuckte mit den Schultern, schaute auf die Uhr und gab Harry die Bilder zurück. »Meine Schicht ist in zwei Stunden zu Ende, dann …«
    »Fein. Wir holen Sie ab. Sie werden ein Stück norwegische Kriminalgeschichte mitschreiben, Altman.«
    Der Pfleger wurde bleich.
    Mikael Bellman rief an, als Harry gerade auf dem Weg zur Kriminaltechnik war. »Wo stecken Sie, Harry? Ich habe Sie in der Morgensitzung vermisst.«
    »Hier und da.«
    »Hier und wo?«
    »In unserer schönen Stadt«, antwortete Harry, während er einen A4-Umschlag vor Kim Erik Lokker auf die Tischplatte fallen ließ und auf seine Fingerkuppen zeigte, um zu signalisieren, dass er den Inhalt auf Fingerabdrücke überprüft haben wollte.
    »Ich werde nervös, wenn Sie im Laufe eines ganzen Tages nicht auf dem Radar erscheinen, Harry.«
    »Vertrauen Sie mir etwa nicht, Mi-ka-el? Angst, dass ich rückfällig werden könnte?« Am anderen Ende war es eine Weile still.
    »Sie erstatten mir Bericht, und ich möchte gern auf dem Laufenden gehalten werden, das ist alles.«
    »Berichte, dass es nichts zu berichten gibt, Chef.«
    Harry unterbrach die Verbindung und ging in Björns Büro. Beate saß bereits dort und erwartete ihn.
    »Was hast du uns zu erzählen?«, fragte sie.
    »Eine richtige Räuberpistole«, sagte Harry und setzte sich.
    Mitten in der Geschichte steckte Lokker den Kopf zur Tür herein.
    »Das sind sie«, sagte er und hielt eine Fingerabdruckfolie vor sich.
    »Danke«, sagte Björn, legte sie auf seinen Scanner, setzte sich an den Computer, nahm sich die Mappe mit den Fingerabdrücken vor, die sie im Holmenveien gefunden hatten, und startete die Überprüfung.
    Harry wusste, dass das Ganze nur wenige Sekunden dauern würde, schloss aber trotzdem die Augen und spürte sein Herz hämmern, dabei war er sich eigentlich sicher. Wie der Schneemann. Er hatte Harry die wenigen Informationen gegeben, die er brauchte, die Worte formuliert, die Schallwellen erzeugt, um die Lawine auszulösen.
    Es musste so sein.
    Es sollte nur ein paar Sekunden dauern. Sein Herz hämmerte.
    Björn Holm räusperte sich. Sagte aber nichts.
    »Björn«, sagte Harry, noch immer mit geschlossenen Augen.
    »Ja, Harry.«
    »Ist das wieder eine der Kunstpausen, die ich deiner Meinung nach auskosten soll?«
    »Ja.«
    »Ist es vorbei, du verdammter Idiot?«
    »Ja. Und wir haben eine Übereinstimmung.«
    Harry schlug die Augen auf. Sonnenlicht strömte in den Raum, füllte ihn, dass sie förmlich darin badeten. Glücksgefühl. Ein irres Glücksgefühl.
    Alle drei standen gleichzeitig auf. Starrten sich mit offenen Mündern an, die stumme Jubelschreie formten. Dann umarmten sie sich in einer linkischen Dreierumarmung mit Björn und Harry außen und einer fast plattgedrückten Beate zwischen ihnen. Sie machten mit gedämpften Ausrufen und zurückhaltenden High-fives weiter, und Björn Holm rundete das Ganze mit einem in Harrys Augen für einen eingefleischten HankWilliams-Fan weitgehend vollkommenen Moonwalk ab.
KAPITEL 72
    Boy
    D ie beiden Männer standen auf der kleinen Wiese zwischen der Kirche von Manglerud und der Autobahn.
    »Hier hatten wir unseren Erdbong«, sagte der Mann in der MC-Lederjacke und strich sich ein paar lange, dünne Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Im Sommer haben wir hier gelegen und alles geraucht, was wir in die Finger bekamen. Fünfzig Meter von der Polizeistation Manglerud entfernt.« Er grinste schief. »Ich, Ulla, Te-Ve, seine Freundin und ein paar andere. Das waren noch Zeiten.«
    Der Blick des Mannes schweifte ab. Roger Gjendem machte sich Notizen.
    Es war nicht ganz einfach gewesen, Julie zu finden, aber am Ende hatte Roger Gjendem ihn in einem MC-Club in Alnabru aufgespürt, wo er, wie sich zeigte, aß, schlief und sein Leben als freier Mann verbrachte. Er bewegte sich nicht weiter als bis zum Prix-Laden, um Snus und Brot zu kaufen. Gjendem hatte schon öfter erlebt, dass einige Menschen im Gefängnis eine Abhängigkeit von gewohnten Umgebungen, Routinen und ein großes Sicherheitsbedürfnis entwickelten. Erstaunlicherweise war Julie relativ schnell bereit gewesen, mit ihm über die Vergangenheit zu sprechen. Das Schlüsselwort war Bellman

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