Leopard
alleinerziehende Mutter aber für eine finanzielle Basis sorgen müsse und deshalb Geld von ihm fordere. Im Gegenzug würde ich niemandem sagen, dass das Kind von ihm sei. Für den Anfang wollte ich 400 000. Er sollte mit dem Geld auf den Parkplatz hinter dem Lefdal-Elektronikmarkt in Sandvika kommen, zwei Tage später um Mitternacht. Dann habe ich einen Brief an Adele geschrieben, mich als Tony ausgegeben und gefragt, ob wir uns nicht noch einmal treffen wollten. Zu einem kleinen Stelldichein. Angegeben habe ich natürlich dieselbe Zeit und denselben Ort. Ich wusste, dass das Setting nach Adeles Geschmack war, und baute darauf, dass die beiden weder Namen noch Telefonnummern ausgetauscht hatten, um es mal so zu sagen, so dass der Betrug nicht vorzeitig auffliegen konnte, bevor ich hatte, was ich brauchte. Um 23 Uhr war ich an Ort und Stelle und saß mit gezückter Kamera in meinem Auto. Ich hatte mir vorgenommen, das Stelldichein zu dokumentieren, ob es nun mit einem Streit oder einem Fick endete, und die Bilder dann mitsamt der enthüllenden Geschichte an Anders Galtung zu schicken. Das war alles.« Sigurd sah zu Bellman und wiederholte. »Das war alles.«
Bellman nickte, und Sigurd Altman fuhr fort: »Tony kam vor der vereinbarten Zeit. Er parkte seinen Wagen, stieg aus und sah sich eine Weile um. Dann verschwand er in den Schatten der Bäume am Fluss. Ich duckte mich hinter das Lenkrad. Schließlich kam Adele. Ich ließ das Fenster herunter, um alles zu hören. Sie stand da und wartete, sah sich um und blickte auf die Uhr. Dann stand Tony plötzlich direkt hinter ihr, es war kaum zu glauben, dass sie ihn nicht bemerkt hatte. Er zog ein langes samisches Messer und legte seinen Arm um ihren Hals. Sie strampelte, als er sie zu seinem Wagen zog. Als er die Tür öffnete, sah ich, dass die Sitze mit Plastik überzogen waren. Ich habe nicht verstanden, was Tony zu ihr gesagt hat, aber ich zoomte sie mit der Kamera heran. Sah, dass er ihr einen Stift in die Hand gedrückt hatte und ihr etwas diktierte, das sie auf eine Karte schrieb.«
»Die Postkarte aus Kigali«, sagte Bellman. »Er hatte alles vorher geplant. Sie musste verschwinden.«
»Ich habe Fotos gemacht, hab an nichts anderes gedacht. Bis ich plötzlich sah, wie er die Hand hob und ihr das Messer in den Hals stieß. Ich traute meinen eigenen Augen nicht. Das Blut spritzte von innen gegen die Windschutzscheibe.«
Die zwei Männer bemerkten nicht, dass Krohn nach Luft schnappte.
»Er wartete eine Weile, ließ das Messer einfach in ihrem Hals stecken, als wollte er sie ausbluten lassen. Dann nahm er sie auf seine Arme und verstaute sie im Kofferraum. Ehe er sich wieder in sein Auto setzte, blieb er stehen und witterte wie ein Tier. Er stand im Licht einer Laterne, so dass ich es deutlich sehen konnte: die weit aufgerissenen Augen, das gleiche Grinsen im Gesicht wie damals, als Tony vor der Disco auf mir hockte und mir das Messer in den Mund steckte. Noch lange nachdem Tony mit Adele abgefahren war, saß ich wie gelähmt da. Ich konnte mich einfach nicht rühren. Mir war klar, dass ich Anders Galtung keinen Brief schreiben konnte. Ich konnte niemandem davon erzählen, hatte ich mich doch gerade mitschuldig gemacht an einem Mord.«
Sigurd nahm einen kleinen, beherrschten Schluck aus dem Wasserglas, das vor ihm stand, und blickte zu Johan Krohn, der ihm zunickte.
Bellman räusperte sich. »Rein technisch waren Sie nicht mitschuldig. Man könnte Sie aber wegen Erpressung und Betrugs verklagen. Sie hätten an diesem Punkt aufhören können.
Natürlich wäre es unangenehm für Sie geworden, aber Sie hätten zur Polizei gehen können. Sie hatten ja sogar Fotos, die alles bewiesen.«
»Ich wäre trotzdem verurteilt worden. Man hätte mir garantiert vorgehalten, dass niemand so gut wie ich wisse, dass Tony Leike gewalttätig wird, wenn man ihn in die Ecke drängt. Und dass ich alles mit Vorsatz geplant hätte.«
»Haben Sie bei Ihrer Planung denn wirklich nicht an diese Möglichkeit gedacht?«, fragte Bellman und übersah den warnenden Blick Krohns.
Sigurd Altman lächelte. »Ist es nicht seltsam, Herr Kommissar, wie schwer es manchmal ist, seine eigenen Pläne zu durchschauen? Und welche Streiche einem die Erinnerung spielt? Ich weiß wirklich nicht mehr, womit ich gerechnet habe.«
Weil du dich nicht erinnern willst, dachte Bellman. Er nickte und brummte zustimmend, um so etwas wie Dankbarkeit vorzutäuschen, dass Altman ihm zu neuen Einsichten in die Seele
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