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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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nicht seine? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, denn ihre langen Haare verdeckten das Nummernschild.
    Nach dem Laufen hatte Mikael geduscht und war zum Frühstück nach oben gegangen.
    Er war auf alles vorbereitet, als er die Morgenzeitung umdrehte, die Ulla – auch wie gewohnt – neben seinen Teller gelegt hatte.
    In Ermangelung eines Fotos von Sigurd Altman alias der Kavalier hatten sie ein Bild des Polizisten aus Ytre Enebakk abgedruckt. Skai. Er stand mit verschränkten Armen vor seiner Dienststelle, trug eine grüne Kappe mit langem Schirm und sah wie ein Bärenjäger aus. Überschrift: »Kavalier verhaftet?«
    Daneben prangte das Bild eines gelben, verbeulten Scooters unter der Überschrift: »Neuer Leichenfund in Ustaoset«.
    Bellman hatte den Text nur rasch überflogen und nach dem Wort »Kriminalamt« oder -noch schlimmer – seinem Namen Ausschau gehalten, war auf der Titelseite aber nicht fündig geworden. Gut.
    Dann hatte er die Seite aufgeschlagen, auf die verwiesen worden war, und dort fand sich alles, mit Bild und Namen:
    Der Leiter der Ermittlungen, Mikael Bellman vom Kriminalamt, betonte in einer kurzen Stellungnahme, sich vor dem Verhör des Kavaliers nicht äußern zu wollen. Auch die Frage, warum der Verdächtige ausgerechnet von der Dorfpolizei von Ytre Enebakk verhaftet worden sei, wollte er nicht kommentieren, sagte aber: »Generell möchte ich nur zu bedenken geben, dass Polizeiarbeit immer Teamarbeit ist. Im Kriminalamt legen wir kein Gewicht auf das Prestige.«
    Das Letzte hätte er sich sparen können. Es war eine Lüge, würde als solche erkannt werden und stank förmlich nach schlechtem Verlierer.
    Andererseits war es so schlimm auch wieder nicht. Denn wenn stimmte, was der Strafverteidiger des Kavaliers, Johan Krohn, ihm tags zuvor am Telefon geschildert hatte, würde sich ihm ganz bald eine phantastische Möglichkeit bieten, alles wieder gerade zubiegen. Ja, mehr als das. Dann wäre ihm das Prestige sicher. Er wusste, dass der Preis, den Krohn verlangen würde, hoch war, aber nicht er selbst würde diesen Preis zahlen, sondern dieser Scheißbärenjäger. Und Harry Hole und das Morddezernat.
    Ein Gefängniswärter hielt ihnen die Tür des Besucherzimmers auf, und Mikael Bellman ließ Johan Krohn den Vortritt. Krohn hatte darauf bestanden, das Gespräch in einem möglichst neutralen Umfeld zu führen, da es sich ja um kein formelles Verhör handelte. Da es bei all dem Presserummel aber unmöglich war, den Kavalier aus dem Osloer Kreisgefängnis zu entfernen, in dem ihm eine Suite zugewiesen worden war, hatten Krohn und Bellman sich auf einen der Besucherräume geeinigt, die eigentlich für die privaten Treffen der Inhaftierten mit ihren Familien verwendet wurden. Keine Kameras, keine Mikrophone, nur ein einfaches Zimmer ohne Fenster, das man halbherzig mit einer gehäkelten Decke und einer Wanduhr versucht hatte gemütlich einzurichten. In der Regel trafen sich hier Liebespaare, wie das durchgesessene, spermagetränkte Sofa vermuten ließ. Krohn sank tief ein, als er darauf Platz nahm.
    Sigurd Altman saß auf einem Stuhl am Ende des Tisches. Bellman setzte sich auf den anderen Stuhl, so dass er auf Augenhöhe mit Altman war. Altmans Gesicht war mager, hatte tiefliegende Augen und eine markante Mundpartie mit leicht vorstehenden Zähnen. Bellman musste automatisch an die Bilder der abgemagerten Juden in Auschwitz denken. Und an das Monster in
Alien.
    »Gespräche wie dieses verstoßen eigentlich gegen die Vorschriften«, sagte Bellman. »Ich muss deshalb darauf bestehen, dass niemand Notizen macht oder das hier Besprochene an Dritte weitergibt.«
    »Und wir müssen darauf bestehen, dass die Bedingungen für ein Geständnis vonseiten der Anklage auch erfüllt werden«, sagte Krohn. »Sie haben mein Wort«, sagte Bellman.
    »Wofür ich mich bei Ihnen bedanken möchte. Was haben Sie sonst noch?«
    »Sonst noch?«, fragte Bellman und versuchte sich an einem Lächeln. »Was soll ich denn noch haben? Wollen Sie etwa einen schriftlichen Vertrag?« Dieser verfluchte, arrogante Anwaltsarsch.
    »Gerne«, sagte Krohn und schob einen Zettel zu ihm hinüber.
    Bellman starrte auf das Blatt, und sein Blick sprang von Zeile zu Zeile.
    »Natürlich bekommt das niemand zu sehen, wenn es nicht nötig ist«, sagte Krohn. »Darüber hinaus versichere ich Ihnen, dass Sie dieses Dokument zurückerhalten, sobald unsere Bedingungen erfüllt sind. Und das hier …«, er reichte Bellman einen Kugelschreiber,

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