Leopard
geliehen?«
»Ja.«
»Blutrot. Vom früheren Besitzer?«
»Wir lassen Ihr Auto hier stehen, Saul.«
»Will ich diese Fahrt machen, Harry?«
»Vermutlich nicht. Hilft es, wenn ich Ihnen sage, dass ich einer von den Guten bin?«
»Tut mir leid, aber hier in Görna haben wir vergessen, was das bedeutet, Harry.«
»Hm. Helfen hundert Dollar?«
»Zweihundert …«, konterte Saul. Harry nickte.
»… und fünfzig«, sagte Saul.
Harry stieg aus und überließ Saul das Lenkrad.
»Sind Sie sicher, dass die wirklich dort sind?«, fragte Saul und fuhr auf die Straße. »Ja«, sagte Harry vom Rücksitz. »Jemand hat mir mal erzählt, das sei der einzige Ort in Görna, an dem Menschen in den Himmel kommen können.«
»Ich mag diesen Ort nicht«, sagte Saul.
»Ach?«, sagte Harry und öffnete den Koffer neben sich. Märklin. Die Gebrauchsanweisung, wie man das Gewehr zusammensetzte, klebte im Kofferdeckel. Harry begann zu arbeiten.
»Böse Dämonen. Ba-Toye.«
»Sie sagten, Sie hätten in Oxford studiert?« Das matte, geölte Klicken der mühelos ineinandergleitenden Teile war zu hören. »Sie kennen den Feuerdämon wohl nicht.«
»Nein, aber ich kenne die hier«, sagte Harry und hielt eine der Patronen hoch, die in einem Extrakästchen waren. »Und ich wette auf diese Dinger im Kampf gegen Ba-Toye.«
Das spärliche gelbe Deckenlicht spiegelte sich in den goldfarbenen Patronenhülsen. Die eigentliche Kugel hatte einen Durchmesser von sechzehn Millimetern. Das größte Kaliber der Welt. Als er den Bericht für den Rotkehlchen-Fall geschrieben hatte, war ihm von einem Ballistikexperten erklärt worden, das Kaliber der Märklin sei eigentlich zu groß. Sogar für einen Elefanten. Es sei eher dazu geeignet, Bäume zu fällen.
Er klopfte mit dem Zielfernrohr gegen die Seitenscheibe. »Schneller, Saul.«
Er stützte den Lauf an der Lehne des Sitzes neben sich ab und probierte den Abzug, während er sein Auge wegen der Schlaglöcher mit etwas Abstand vor das Zielfernrohr hielt. Das Fernrohr musste justiert und kalibriert werden, ihm fehlte die Feineinstellung. Aber dafür war keine Zeit mehr.
Sie waren am Ziel. Kaja schaute aus dem Autofenster. Die vereinzelten Lichter unter ihnen waren Görna, weiter draußen erkannte sie die Lichter des Förderturms im Kivu-See. Das Mondlicht glitzerte auf dem grünschwarzen Wasser. Der letzte Teil des Weges war nur ein Pfad gewesen, der um den Gipfel herum durch eine nur von den Autoscheinwerfern erhellte, schwarze, kahle Mondlandschaft führte. Als sie das obere Plateau erreicht hatten, einen topfebenen Steinteller mit einem Durchmesser von rund hundert Metern, war der Fahrer durch weiße, treibende Rauchfahnen, die aus dem Krater des Nyiragongo rot angestrahlt wurden, zur anderen Seite des Plateaus hinübergefahren. Der Fahrer schaltete den Motor aus.
»Darf ich Sie etwas fragen«, sagte Tony. »Eine Sache, an die ich in den letzten Wochen häufiger gedacht habe. Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass man stirbt? Ich meine nicht die Angst um sein Leben, die habe ich selbst schon ein paarmal gespürt. Ich frage mich, wie es ist, wenn man sich ohne jeden Zweifel darüber im Klaren ist, dass das Leben hier und jetzt zu Ende geht. Können Sie mir das erklären … irgendwie vermitteln?« Tony beugte sich vor, um Augenkontakt mit ihr her zustellen. »Nehmen Sie sich ruhig Zeit, um die richtigen Worte zu finden.«
Kaja sah ihn an. Sie hatte Panik erwartet. Aber die blieb aus. Sie war ebenso versteinert wie die Landschaft um sie herum.
»Ich spüre nichts«, sagte sie.
»Kommen Sie«, sagte er. »Die anderen waren so ängstlich, dass sie nicht einmal zu antworten vermochten, die haben nur unzusammenhängend gestammelt. Charlotte Lolles hat mich bloß schockiert angesehen, und Elias Skog brachte kein klares Wort mehr heraus. Mein Vater hat geweint. Ist da nur Chaos, oder denkt man noch nach? Spüren Sie Trauer? Reue? Oder die Erleichterung, nicht mehr kämpfen zu müssen? Sehen Sie sich zum Beispiel Lene an, die hat aufgegeben, sie geht wie das willige Opferlamm dem Tod entgegen. Wie ist es mit Ihnen, Kaja? Sehnen Sie sich danach, loszulassen und die Kontrolle aufzugeben?«
Kaja erkannte tatsächlich Neugier in seinem Blick.
»Gestatten Sie mir die Frage, wie sehr Sie sich danach gesehnt haben, wieder die Kontrolle zu
übernehmen,
Tony«, sagte sie und fuhr sich mit der Zunge auf der Suche nach etwas Feuchtigkeit durch den Mund. »Als Sie von einer unsichtbaren Person
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