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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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zu.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Aber ich versuche, Ihre Tochter zu retten. Und dafür brauche ich Ihre Hilfe, verstehen Sie das?«
    Er legte seine Hand auf ihre, aber sie zog sie weg.
    »Er ist ein Mörder«, sagte Harry. »Aber das ist ihr egal, nicht wahr? Sie will es trotzdem tun?«
    »Was tun?«, schluchzte die Frau.
    »Ihm bis ans Ende der Welt folgen.«
    Sie antwortete nicht, schüttelte nur den Kopf und weinte still.
    Harry wartete. Stand auf, goss sich Kaffee ein, riss ein Blatt von der Küchenrolle, legte es vor ihr auf den Tisch, setzte sich wieder und wartete. Nahm einen Schluck. Wartete.
    »Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht den gleichen Fehler wie ich begehen soll«, sagte sie und schniefte. »Sie sollte sich nicht in einen Mann verlieben, nur weil der … nur weil der sie dazu bringt, sich schön zu fühlen. Schöner, als sie es ist. Sie mögen das vielleicht für einen Segen halten, aber in Wahrheit ist es ein Fluch.«
    Harry wartete.
    »Einmal zu erleben, wie Sie durch seinen Blick schön werden, das ist … wie Zauberei. Und deshalb bleiben Sie. Bis zum bitteren Ende. Weil Sie darauf hoffen, es noch einmal zu erleben.«
    Harry wartete.
    »Ich bin in einem Wohnwagen aufgewachsen. Wir reisten herum, so dass ich nicht zur Schule gehen konnte. Als ich acht Jahre alt war, kam das Jugendamt und holte mich. Mit sechzehn begann ich in Galtungs Reederei zu putzen. Anders war verlobt, als er mich schwängerte. Nicht er hatte das Geld, sondern sie. Er hatte alles auf den Markt gesetzt, aber die Tankerraten fielen, so dass er keine andere Wahl hatte. Er schickte mich weg. Aber sie bekam es mit und entschied kurzerhand, dass ich das Kind bekommen und weiter als Haushaltshilfe bei ihnen arbeiten sollte. Mein Kind sollte wie die Tochter des Hauses erzogen werden. Anders’ Frau konnte keine Kinder bekommen, so dass Lene eine Art Adoptivtochter wurde. Sie haben sie mir weggenommen. Mich mit der Frage konfrontiert, was ich Lene schon für eine Erziehung zuteilwerden lassen könnte. Ich, eine alleinerziehende Mutter ohne Ausbildung oder Angehörige. Ob ich es wirklich verantworten wollte, dem Kind die Möglichkeit eines guten Lebens zu verwehren? Ich war so jung, so voller Angst. Ich glaubte, sie hätten recht und dass es die beste Lösung wäre.«
    »Und niemand hat davon gewusst?«
    Sie nahm das Küchenpapier vom Tisch und putzte sich die Nase. »Es ist erstaunlich, wie leicht es ist, Menschen zu täuschen, die getäuscht werden wollen. Und wenn sie sich nicht täuschen ließen, ließen sie sich nichts anmerken. Aber das hatte eigentlich gar keine Bedeutung. Ich war nicht mehr und nicht weniger als die Gebärmutter für Galtungs Erben, was war schon dabei?«
    »War das alles?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Nein. Ich hatte ja Lene. Hab sie gestillt und gefüttert, ihre Windeln gewechselt und zusammen mit ihr geschlafen. Habe ihr sprechen beigebracht, sie erzogen. Wir wussten alle, dass das nicht von Dauer war, dass ich sie eines Tages loslassen musste.«
    »Haben Sie das getan?«
    Sie lachte bitter. » Kann eine Mutter jemals loslassen? Eine Tochter kann das. Lene verachtet mich für das, was ich getan habe. Für das, was ich bin . Und jetzt macht sie genau das Gleiche.«
    »Dem falschen Mann bis ans Ende der Welt folgen?«
    Sie antwortete mit einem Achselzucken.
    »Wissen Sie, wo sie ist?«
    »Nein, nur dass sie los ist, um mit ihm zusammen zu sein.«
    Harry nahm einen Schluck aus der Tasse. »Ich weiß, wo das Ende der Welt ist«, sagte er.
    Sie antwortete nicht.
    »Ich kann dorthin fahren und versuchen, sie zu Ihnen zurückzubringen.«
    »Sie will nicht zurückgeholt werden.«
    »Ich kann es versuchen. Mit Ihrer Hilfe.« Harry holte einen Zettel heraus und legte ihn vor sie hin. »Was sagen Sie?«
    Sie las. Dann hob sie den Blick. Schminke lief über ihre eingefallenen Wangen.
    »Schwören Sie, dass Sie meine Tochter heil wieder nach Hause bringen. Schwören Sie. Wenn Sie das tun, stimme ich zu.«
    Harry sah sie lange an.
    »Ich schwöre«, sagte er.
    Als er wieder vor dem Haus stand und sich eine Zigarette anzündete, dachte er an ihre Worte. Kann eine Mutter jemals los lassen? An Odd Utmo, der ein Bild seines Sohnes mit auf die Flucht genommen hatte. Eine Tochter kann das . War das wirklich so? Er atmete den Rauch aus. Und er? Konnte er loslassen?
     
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