Leopard
ganz in Ordnung.«
»Ist es das?«
»Ich werde nach dieser Sache ohnehin kündigen.«
Hagen sah Harry lange an. »Okay«, sagte er. »Hau ab.« Er setzte sich in Bewegung.
Harry hastete ihm hinterher. »Okay?«
»Ja, eigentlich war es von Anfang an okay.«
»Oh? Und warum hast du das dann nicht gleich gesagt?«
»Ich fand das Gefühl nett, entscheiden zu können.«
TEIL I X
KAPITEL 83
Das Ende der Welt
S ie träumte, dass sie vor einer geschlossenen Tür stand, und hörte einen einsamen, kalten Vogelschrei aus dem Wald, der in der warmen Sonne seltsam deplatziert wirkte. Dann öffnete sie die Tür …
Kaja erwachte mit dem Kopf an Harrys Schulter. Ihre Mundwinkel waren mit Speichel verklebt. Die Stimme des Kapitäns verkündete, dass sie mit dem Landeanflug auf Goma begannen.
Sie sah aus dem Fenster des Flugzeugs. Im Osten kündigte ein grauer Streifen den kommenden Tag an. Zwölf Stunden zuvor hatten sie Oslo verlassen. In sechs Stunden würde der Flug aus Zürich landen, auf dessen Passagierliste Juliana Verni stand.
»Ich frage mich, warum Hagen es okay findet, dass wir Lene beschatten?«, fragte Harry.
»Vermutlich fand er deine Argumente überzeugend«, antwortete Kaja mit einem Gähnen.
»Hm. Er kam mir ein bisschen zu entspannt vor. Ich glaube, er hat was in der Hinterhand. Etwas, das ihm die Sicherheit gibt, hinterher nicht zur Verantwortung gezogen zu werden.«
»Vielleicht hat er ja Infos über jemanden im Ministerium, der etwas zu sagen hat.«
»Hm. Oder über Bellman. Vielleicht weiß er, dass ihr ein Verhältnis hattet. Du und Bellman.«
»Das bezweifle ich«, sagte Kaja und starrte mit zusammengekniffenen Augen in die Finsternis vor dem Fenster. »Es ist hier unglaublich dunkel.«
»Vielleicht ist der Strom ausgefallen«, sagte Harry. »Aber der Flughafen hat bestimmt ein eigenes Aggregat.«
»Dahinten ist Licht«, sagte sie und deutete auf einen Rotschimmer im Norden der Stadt. »Was ist das?«
»Der Nyiragongo«, sagte Harry. »Die Lava erhellt den Himmel.«
»Wirklich?«, fragte sie und drückte ihre Nase an die Scheibe.
Harry leerte sein Wasserglas. »Sollen wir den Plan noch einmal durchgehen?«
Sie nickte und richtete die Lehne auf.
»Du bleibst in der Ankunftshalle und überwachst die Ankunftszeiten, damit alles nach Plan läuft. Ich gehe derweil shoppen. Bis ins Zentrum sind es nur fünfzehn Minuten, ich sollte also rechtzeitig wieder da sein, bevor Lene landet. Du folgst ihr, achtest darauf, ob sie abgeholt wird, und bleibst ihr dicht auf den Fersen. Da Lene mich kennt, warte ich draußen in einem Taxi auf euch. Und sollte etwas Unvorhergesehenes eintreten, rufst du mich sofort an, okay?«
»In Ordnung. Und du bist wirklich sicher, dass sie in Goma übernachten wird?«
»Ich bin mir nicht sicher. Es gibt in Goma nur noch zwei bewirtschaftete Hotels, aber laut Katrine liegt dort keine Reservierung vor, weder auf Verni noch auf Galtung. Andererseits kontrolliert die Guerilla die Straßen in westlicher und nördlicher Richtung, und die nächste Stadt im Süden ist acht Stunden entfernt.«
»Und du glaubst, dass Tony Lene nur nachgeholt hat, um ihr das Geld abzunehmen?«
»Laut Jens Rath ist das Grubenprojekt in einer kritischen Phase. Siehst du irgendeinen anderen Grund?«
Kaja zuckte mit den Schultern. »Und dass ein Mörder jemanden so sehr liebt, dass er einfach nur mit diesem Menschen zusammen sein will? Ist das so unvorstellbar?«
Harry nickte, und Kaja wusste nicht, ob er damit »Ja, du hast recht« oder »Ja, das ist unvorstellbar« meinte.
Es summte und klickte wie eine Kamera, die langsam einzoomte, als das Fahrwerk ausgefahren wurde.
Kaja starrte aus dem Fenster.
»Dass du shoppen gehst, gefällt mir gar nicht, Harry. Ich mag keine Waffen.«
»Leike ist ein Gewalttäter.«
»Und ich mag es auch nicht, inkognito als Polizistin zu arbeiten. Ich kapiere ja, dass wir nicht unsere eigenen Waffen mit in den Kongo bringen können, aber hätten wir nicht die kongolesische Polizei um Amtshilfe bei der Festnahme bitten können?«
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass es kein Auslieferungsabkommen gibt. Außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein reicher Mann wie Leike Polizisten auf seiner Lohnliste hat, die ihn warnen könnten.«
»Das sind doch alles bloß Verschwörungstheorien.«
»Stimmt, und einfache Mathematik. Ein Polizistengehalt reicht im Kongo nicht, um eine Familie zu ernähren. Aber beruhig dich, van Boorst hat einen netten
Weitere Kostenlose Bücher