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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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mit Tiefstaplern und Zwergen.
    »Dieser Raum war während des Krieges Terbovens Büro. Heute hat hier niemand mehr so große Büros.«
    »Wie war Ihre Ehe?«
    »Bitte?«
    »Sie und Marit, haben Sie sich gestritten?«
    »Äh … nein.« Rasmus Olsen wirkte verärgert und ging schneller. Als wollte er dem Polizisten weglaufen oder wenigstens außer Hörweite der anderen gelangen. Erst als sie hinter Olsens geschlossener Bürotür im Sekretariat der Fraktion saßen, atmete er leicht zitternd aus. »Wir hatten natürlich auch unsere Ups und Downs. Sind Sie verheiratet, Herr Bellman?«
    Mikael Bellman nickte.
    »Dann verstehen Sie sicher, was ich meine.«
    »War sie untreu?«
    »Nein. Ich glaube, das kann ich mit Sicherheit ausschließen.«
    Weil sie so dick war?, hätte Bellman gerne gefragt, ließ es aber bleiben. Er hatte bekommen, worauf er es angelegt hatte. Das Zögern, das Zucken im Augenwinkel und das kaum merkbare Zusammenziehen der Pupille.
    »Und Sie, Olsen, waren Sie untreu?«
    Die gleiche Reaktion. Plus einer leichten Röte auf der Stirn und unter den Geheimratsecken. Die Antwort war kurz und verbissen. »Nein, das war ich nicht.«
    Bellman legte den Kopf auf die Seite. Er hatte keinen konkreten Verdacht gegen Rasmus Olsen. Warum quälte er den Mann dann mit solchen Fragen? Die Antwort war ebenso einfach wie frustrierend. Er ließ seine Frustration an seinem Gegenüber aus, weil es niemanden sonst gab, den er verhören konnte, keine anderen Spuren, denen er folgen konnte.
    »Und was ist mit Ihnen, Herr Oberkommissar?«
    »Was soll mit mir sein?«, fragte Bellman und unterdrückte ein Gähnen.
    »Sind Sie untreu?«
    »Meine Frau ist zu hübsch dafür«, erwiderte Bellman mit einem Lächeln. »Außerdem haben wir zwei Kinder. Sie und Ihre Frau waren ja kinderlos, und das bietet ja etwas mehr … Freiheiten. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie und Ihre Frau vor einer Weile gewisse Probleme gehabt haben.«
    »Ich nehme mal an, Sie spielen damit auf die Nachbarin an. Marit hat häufiger mit ihr geredet, ja. Wir hatten vor ein paar Monaten ein kleineres Eifersuchtsproblem. Ich hatte bei einem Gewerkschaftskurs eine junge Frau für die Partei gewonnen. Sie müssen wissen, dass ich auch Marit so kennengelernt habe …«
    Rasmus Olsens Stimme versagte plötzlich, und Bellman sah, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.
    »Da war nichts. Aber Marit fuhr für ein paar Tage in die Berge, um nachzudenken. Anschließend war alles wieder in Ordnung.«
    Bellmans Mobiltelefon klingelte. Er nahm es hervor, las den Namen auf dem Display und meldete sich knapp mit »Ja?«. Er spürte seinen Puls und seine Wut steigen, während er sich anhörte, was die Stimme zu sagen hatte.
    »Ein Seil?«, wiederholte er. »Lyseren? Das heißt … Ytre Enebakk. Danke.«
    Er steckte das Handy zurück in seine Manteltasche. »Ich muss los, Olsen. Danke für Ihre Zeit.«
    Auf dem Weg nach draußen blieb Bellman kurz stehen und sah sich in dem Büro des früheren Reichskommissars der deutschen Besatzungsmacht, Terboven, um. Dann ging er schnell weiter.
     
    Es war ein Uhr nachts. Harry saß im Wohnzimmer, und Martha Wainwright sang … far away und … whatever remains is yet to be found .
    Er war erschöpft. Vor ihm auf dem Sofatisch lagen Handy, Feuer zeug und das Silberpapier mit dem braunen Klumpen. Er hatte ihn nicht angerührt. Aber er brauchte Schlaf, musste einen Rhythmus finden, eine Pause machen. In der Hand hielt er das Bild von Rakel. In dem blauen Kleid. Er schloss die Augen. Roch ihren Duft. Hörte ihre Stimme. »Sieh mal!« Ihre Hand berührte ihn sanft. Das Wasser war schwarz und tief, und sie trieb weiß, still und schwerelos an der Oberfläche. Der Wind wehte den Brautschleier weg und entblößte die kreideweißen Federn darunter. Ihr langer, schlanker Hals formte ein Fragezeichen. Wo? Sie stieg an Land, ein schwarzes Stahlskelett mit knirschenden, klagenden Rädern. Dann ging sie ins Haus und verschwand, kam aber in der oberen Etage wieder zum Vorschein. Sie hatte eine Schlinge um den Hals, und neben ihr stand ein Mann in einem schwarzen Anzug und mit einer weißen Blume im Knopfloch.
    Vor ihnen – mit dem Rücken zu Harry – stand ein Pastor mit weißem Talar. Er las langsam. Dann drehte er sich um. Sein Gesicht und seine Hände waren ebenfalls weiß. Schneeweiß.
    Harry schrak auf.
    Blinzelte ins Dunkel.
    Geräusche.
    Nicht Martha Wainwright.
    Harry wälzte sich herum und nahm das leuchtende, vibrierende Handy vom

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