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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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anzusehen. »Der Typ da oben wurde mit Superkleber am Boden der Badewanne festgeklebt.«
    »Wurde?«, fragte Colbjørnsen mit einem Blick auf seinen Angestellten, unterstrichen von einer nach oben gewölbten und einer V-förmigen Augenbraue. »Warum die Passivform? Schließen Sie damit nicht ein wenig zu voreilig aus, dass Elias Skog das selber getan haben könnte?«
    »Um anschließend den Wasserhahn aufzudrehen und auf die langsamste, quälendste Art zu ertrinken, die man sich vorstellen kann?«, fragte Harry. »Nachdem er sich selber den Mund zugeklebt hat, damit er nicht um Hilfe schreien kann?«
    Colbjørnsen bedachte Harry mit einem weiteren hauchdünnen Lächeln. »Ich lasse es Sie wissen, wenn Sie mich unterbrechen dürfen, Oslo .«
    »Von oben bis unten festgeklebt«, fuhr der Techniker fort. »Sein Hinterkopf ist rasiert und mit Kleber eingeschmiert. Genau wie die Schultern und der Rücken. Und der Po. Die Arme. Beide Beine. Das heißt …«
    »Das heißt«, sagte Harry, »als der Mörder fertig mit dem Kleben war, hat er Elias so lange liegen lassen, bis der Kleber fest war, dann hat er den Wasserhahn aufgedreht und Elias Skog einem langsamen Tod durch Ertrinken überlassen. Damit begann Elias’ Kampf gegen die Zeit und den Tod. Das Wasser stieg langsam, und seine Kräfte schwanden. Bis die Todesangst so übermächtig wurde, dass sie ihm die Kraft für einen letzten, verzweifelten Versuch verlieh, sich zu befreien. Es gelang ihm, das stärkste seiner Gliedmaßen vom Badewannenboden loszureißen, das rechte Bein, wobei er Ferse und Wade schlicht und einfach von der Haut losriss, die, wie deutlich zu erkennen ist, noch am Boden der Wanne klebt. Das Blut pulste ins Wasser, während Elias mit dem Fuß auf den Boden schlug, um seine Vermieterin eine Etage unter ihm zu alarmieren. Sie hat das Klopfen tatsächlich gehört.«
    Harry zeigte mit einem Nicken in Richtung Küche, in der Kaja die Vermieterin zu trösten und zu beruhigen versuchte. Sie konnten das Schluchzen der alten Dame hören.
    »Nur dass sie es falsch interpretiert hat. Sie dachte, ihr Mieter hätte eine Frau mit nach Hause gebracht.«
    Colbjørnsen war bleich geworden und machte keine Anstalten mehr, ihn zu unterbrechen.
    »Und in der Zwischenzeit verlor Elias Blut. Viel Blut. Die ge samte Haut über der Wade war abgerissen. Er wurde schwächer und müder, bis seine Willenskraft am Ende nachließ und er aufgab. Vielleicht hatte er durch den Blutverlust bereits das Bewusstsein verloren, als das steigende Wasser seine Nasenlöcher erreichte.« Harry sah Colbjørnsen an. »Vielleicht aber auch nicht.«
    Colbjørnsens Adamsapfel hüpfte hektisch auf und ab.
    Harry starrte in seine leere Kaffeetasse. »Aber ich denke, Frau Solness und ich sollten uns jetzt für die Gastfreundschaft bedanken und zusehen, dass wir zurück nach Oslo kommen. Falls Sie noch Fragen haben, hier ist meine Nummer.« Harry schrieb eine Zahlenreihe auf den Rand einer Zeitung, riss das Stück heraus und schob es über den Tisch. Dann stemmte er sich aus dem Sessel hoch.
    »Aber …«, sagte Colbjørnsen und erhob sich ebenfalls. Harry überragte ihn um zwanzig Zentimeter. »Was wollten Sie eigentlich von Elias Skog?«
    »Ihn retten«, sagte Harry und knöpfte seinen Mantel zu.
    »Retten? War er denn in irgendetwas verwickelt? Warten Sie, Hole, wir müssen der Sache doch auf den Grund gehen.« Colbjørnsens Imperativ klang bei weitem nicht mehr so autoritär wie zu Anfang.
    »Ich bin überzeugt, dass die Polizei in Stavanger absolut in der Lage ist, diesen Fall selbst zu lösen«, sagte Harry, ging zur Küchentür und gab Kaja mit einem Nicken zu verstehen, dass sie gehen wollten. »Wenn nicht, empfehle ich Ihnen, sich ans Kriminalamt zu wenden. Richten Sie Mikael Bellman einen Gruß von mir aus, wenn es sein muss.«
    »Wovor denn retten?«
    »Vor dem, wovor wir ihn nicht mehr retten konnten«, sagte Harry.
    Im Taxi auf dem Weg nach Sola starrte Harry aus dem Seitenfenster in den Regen, der auf die unnatürlich grünen Wiesen prasselte. Kaja sagte kein Wort. Und er war ihr dankbar dafür.

KAPITEL 26
     
    Die Kanüle
     
    G unnar Hagen saß wartend auf Harrys Stuhl, als Harry und Kaja in die feuchte Wärme des Büros traten.
    Hinter ihm saß Bjørn Holm, zuckte mit den Schultern und gab ihnen per Mimik zu verstehen, dass er keine Ahnung hatte, warum der Kriminaloberkommissar gekommen war.
    »Stavanger, habe ich gehört«, sagte Hagen und stand auf.
    »Ja«, antwortete Harry,

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