Leopard
ja.«
»Und das ist wichtig.«
»Ja, das ist es«, sagte Krongli mit fester Stimme und sah sie an. Evens Blick. Immer irgendwie mit dem Rest eines Lachens im Augenwinkel, als wäre gerade etwas Entscheidendes passiert, etwas, worüber man sich freuen konnte. Auch wenn es nicht so war. Besonders dann, wenn es nicht so war.
»Und was ist mit Odd Utmo?«, fragte Kaja.
»Was soll mit ihm sein?«
»Er ist sofort wieder gefahren, nachdem er mich abgesetzt hatte. Was macht er an einem Abend wie diesem?«
»Woher wollen Sie wissen, dass er nicht Frau und Kinder zu Hause hat?«
»Wenn ich jemals einen Einsiedler getroffen habe, dann …«
»Aslak«, sagte er und hob sein Glas. »Wie ich sehe, sind Sie wirklich eine Polizistin. Aber Utmo ist nicht immer so gewesen.«
»Nicht?«
»Bevor sein Sohn verschwand, war er ansprechbar, ja manchmal richtig umgänglich. Nur jähzornig war er schon immer.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass ein Mann wie Utmo verheiratet sein könnte.«
»Seine Frau war sogar richtig hübsch. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie hässlich er selbst ist. Haben Sie seine Zähne gesehen?«
»Mir ist aufgefallen, dass er eine Klammer trägt, ja.«
»Angeblich, damit die Zähne nicht schief werden.« Aslak Krongli schüttelte mit einem Lachen in den Augen den Kopf, ohne dass das Lachen seinen Mund erreichte. »Ohne die Klammer würden die Zähne wahrscheinlich einfach ausfallen.«
»Sagen Sie mal, war das da auf dem Scooter wirklich Dynamit ?«
»Das haben Sie gesehen«, lachte Krongli, »nicht ich.«
»Wie meinen Sie das?«
»Etliche Einwohner finden es ganz und gar nicht romantisch, stundenlang mit einer Angel an irgendeinem Bergsee zu stehen. Aber Fisch hätten sie trotzdem gern auf dem Tisch. Sie betrachten ihn irgendwie als ihr Eigentum.«
»Die werfen Dynamit in die Seen?«
»Sobald das Eis weg ist.«
»Ist das nicht ziemlich gesetzwidrig, Herr Polizist?«
Krongli hob die Hände hoch: »Wie gesagt, ich habe nichts gesehen.«
»Ja, stimmt, Sie wohnen ja hier. Haben Sie etwa auch Dynamit?«
»Nur für die Garage, die ich bauen will.«
»Ah ja. Und was ist mit Utmos Gewehr? Das sah ziemlich modern aus, mit Zielfernrohr und allem Schnickschnack.«
»Ja, stimmt. Utmo war sicher mal ein guter Bärenjäger. Bis er halbblind wurde.«
»Mir ist sein Auge aufgefallen. Was ist passiert?«
»Sein Sohn soll ein Glas Säure umgestoßen haben, das er abgekriegt hat.«
»Soll?«
Krongli zuckte mit den Schultern. »Es ist ja nur noch Utmo da. Er ist der Einzige, der wirklich weiß, was passiert ist. Sein Sohn ist mit fünfzehn verschwunden. Kurz darauf war auch Utmos Frau weg. Aber das liegt inzwischen achtzehn Jahre zurück, das war lange bevor ich hierhergezogen bin. Seither wohnt Utmo allein oben in den Bergen, ohne Fernsehen oder Radio, ja, er liest nicht einmal Zeitung.«
»Wie sind sie verschwunden?«
»Tja, wenn man das wüsste. Rund um Utmos Haus gibt es reichlich Schluchten und Abhänge. Und Schnee. Von seinem Sohn wurde ein Schuh gefunden, gleich neben einer abgegangenen Lawine, aber als der Schnee später schmolz, war von dem Sohn nichts zu entdecken. Es ist ja schon komisch, im Schnee einen Schuh zu verlieren. Die Leute haben geredet, einer hat etwas von einem Bären gesagt, aber soweit ich weiß, gab es hier vor achtzehn Jahren keine Bären. Es gab aber auch Leute, die meinten, Utmo hätte das selber gemacht.«
»Oh? Warum das?«
»Tja«, sagte Aslak zögernd. »Der Junge hatte eine hässliche Narbe auf der Brust. Die Leute meinten, die hätte er von seinem Vater. Und dass das mit der Mutter zu tun habe, Karen.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Sie haben um sie konkurriert.«
Aslak schüttelte den Kopf, als er Kajas fragenden Blick sah. »Wie gesagt, das war alles vor meiner Zeit. Und Roy Stille, der hier vor mir eine Ewigkeit Dienst getan hat, ist zu Utmo rausgefahren, hat aber nur Odd und Karen angetroffen. Und beide haben behauptet, der Junge sei von der Jagd nicht mehr zurückgekehrt. Aber es war April.«
»Keine Jagdzeit?«
Aslak schüttelte den Kopf. »Seither hat ihn niemand mehr gesehen. Im Jahr darauf verschwand dann auch Karen. Die Leute meinen, sie sei an ihrer Trauer zerbrochen und hätte sich irgendwo von einer Klippe gestürzt.«
Kaja glaubte, ein leichtes Zittern in der Stimme des Polizisten zu hören, schob das aber auf den Wein.
»Und was glauben Sie?«, fragte sie.
»Ich denke, das stimmt. Auch, dass der Junge Opfer einer Lawine geworden ist.
Weitere Kostenlose Bücher