Leopard
Dollar überall in der Welt kaufen kann. Erst wenn man endgültig am Ziel ist und den Flughafen verlassen will, wird die Passnummer kontrolliert, und dann fliegen alle gefälschten Dokumente auf. Die Frage lautet aber trotzdem: Warum sollten wir Ihnen helfen, Herr Hole. Sind Sie im öffentlichen Auftrag hier, haben Sie Papiere, die das belegen?«
»Mein öffentlicher Auftrag war im Kongo«, log Harry. »Aber da habe ich nichts gefunden. Adele Vetlesen wird vermisst, und wir befürchten, dass sie Opfer eines Serienmörders geworden sein könnte, der bereits mindestens drei andere Frauen getötet hat, darunter eine norwegische Parlamentsabgeordnete. Ihr Name ist Marit Olsen, Sie können das im Internet überprüfen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich den offiziellen Weg beschreiten und erst nach Hause fliegen sollte, um streng nach Vorschrift vorzugehen, aber dann verlieren wir mehrere Tage und geben dem Mörder noch mehr Vorsprung. Und damit auch die Zeit, wieder zu morden.«
Harry sah, dass seine Worte Eindruck machten. Die Frau und der Passkontrolleur redeten miteinander, und dann verschwand sie wieder durch die Tür.
Sie warteten schweigend. Harry schaute auf die Uhr. Er hatte für seinen Flug noch nicht einmal eingecheckt.
Nach sechs Minuten hörten sie, wie sich das Klappern der Absätze näherte.
»Eva Rosenberg, Juliana Verni, Veronica Raul Gueno und Claire Hobbes.« Sie spuckte die Namen regelrecht aus, schob ihre Brille zurecht und legte vier Einreisedokumente vor Harry auf den Tisch, noch bevor die Tür hinter ihr wieder zugefallen war.
»Viele europäische Frauen kommen nicht hierher«, sagte sie.
Harrys Blick überflog die Papiere. Alle hatten Hotels in Kigali angegeben, aber keine von ihnen das Gorilla Hotel. Er warf einen Blick auf ihre Heimatadressen. Eva Rosenberg hatte eine Adresse in Stockholm angegeben.
»Danke«, sagte Harry und notierte sich die Namen, Adressen und Passnummern auf der Rückseite einer Taxiquittung, die er in seiner Jackentasche fand.
»Ich bedauere es, dass wir Ihnen nicht noch mehr helfen können«, sagte die Frau und schob sich erneut ihre Brille zurecht.
»Im Gegenteil«, sagte Harry. »Sie waren mir eine große Hilfe. Wirklich.«
»And now, policeman« , sagte der große, dünne Offizier, und ein Lächeln erhellte sein nachtschwarzes Gesicht.
»Yes?« , fragte Harry und wartete, bereit, den kaffeebraunen Umschlag zu zücken.
»Jetzt ist es an der Zeit, dass wir Sie in den Flieger nach Nairobi stecken.«
»Hm«, sagte Harry und schaute auf die Uhr. »Ich werde wohl erst den nächsten Flug nehmen.«
»Den nächsten?«
»Ich muss zurück ins Gorilla Hotel.«
Kaja saß in einem der sogenannten Komfortwagen der Norwegischen Staatsbahn NSB , was – sah man einmal von den Gratiszeitschriften, zwei Tassen Kaffee und Strom für den PC ab – lediglich bedeutete, dass man dicht gedrängt saß, wie die Heringe in der Dose, statt in dem fast leeren Economy-Wagen.
Deshalb zog sie sich dorthin zurück, als das Telefon klingelte und sie auf dem Display erkannte, dass es Harry war.
»Wo bist du?«, fragte Harry.
»Im Zug. Wir sind gerade durch Kongsberg durch. Und du?«
»Gorilla Hotel in Kigali. Ich habe die Gästekarte von Adele Vetlesen gesehen. Ich komme hier erst mit dem Nachmittagsflieger weg, aber morgen früh bin ich wieder zu Hause. Kannst du deinen Polizeifreund, diesen Kürbiskopf aus Drammen, anrufen und ihn bitten, dir die Postkarte zu leihen, die Adele geschrieben hat? Vielleicht könntest du ihn bitten, damit zum Bahnhof zu kommen, der Zug fährt doch durch Drammen.«
»Das geht vielleicht ein bisschen weit, aber versuchen kann ich’s. Wozu brauchen wir die?«
»Die Unterschriften vergleichen. Im Kriminalamt hat bis zu seiner Frühpensionierung mal ein Graphologe gearbeitet, ein gewisser Jean Hue. Bestell ihn für morgen früh um sieben ins Büro.«
»So früh? Glaubst du, er …«
»Du hast recht. Ich scanne Adeles Gästekarte ein und maile sie dir, dann kannst du beides heute Abend mit zu Jean nehmen.«
»Heute Abend?«
»Er freut sich bestimmt über deinen Besuch. Solltest du andere Pläne gehabt haben, sind die hiermit gecancelt.«
»In Ordnung. Übrigens, der Anruf gestern Abend, das tut mir leid.«
»Wieso denn, war eine unterhaltsame Geschichte.«
»Ich war ein bisschen angetrunken.«
»Schon klar.«
Harry legte auf.
»Danke für die Hilfe«, sagte er.
Der Mann an der Rezeption antwortete mit einem Lächeln.
Der kaffeebraune
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