Leopard
Ende zu verfolgen? Die Vermieterin sagte, sie hätte Klopfgeräusche gehört, nachdem der Gast gegangen war. Er ist einfach von seiner eigenen … ähm, Party abgehauen.«
»Guter Hinweis. Mit wem haben wir es also zu tun? Spielt er uns den Sadisten nur vor? Aber aus welchem Grund?«
»Weil er weiß, dass wir versuchen werden, ein Profil zu erstellen«, sagte Kaja eifrig. »Um uns auf eine falsche Fährte zu locken.«
»Hm. Vielleicht. In dem Fall hätten wir es mit einem raffinierten Mörder zu tun.«
»Und was denkst du, alter weiser Meister?«
Harry schenkte ihnen Kaffee ein. »Für einen echten Serienmörder sind mir die Unterschiede zwischen den Morden etwas zu groß.«
Kaja lehnte sich über den Tisch und flüsterte: »Dann glaubst du also nicht, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben?«
»Sagen wir es so. Ich vermisse die unverwechselbare Handschrift. In der Regel sind es ganz bestimmte Facetten, die einen Serienmörder am Morden reizen und die sich folglich bei jeder Tat wiederholen. In diesem Fall gibt es aber keinerlei Hinweise, dass die Taten des Mörders mit irgendeiner sexuellen Handlung in Verbindung stehen. Und es gibt auch keine methodische Übereinstimmung, sieht man mal von Borgny und Charlotte ab, die aller Wahrscheinlichkeit nach beide mit dem Leopoldsapfel ermordet worden sind. Die Tatorte sind völlig verschieden, das Gleiche gilt für die Opfer. Sie sind beiderlei Geschlechts, sind verschieden alt, haben einen unterschiedlichen Background und sind auch in ihrer äußeren Erscheinung nicht zu vergleichen.«
»Aber sie wurden nicht zufällig ausgewählt. Sie haben in derselben Nacht in derselben Hütte übernachtet.«
»Exakt. Und genau deswegen bin ich mir nicht sicher, ob wir es wirklich mit einem klassischen Serienmörder zu tun haben. Oder mit einem für sie klassischen Mordmotiv. Einem Serienmörder ist in der Regel der Mord an sich Motiv genug. Dass die Opfer häufig Prostituierte sind, liegt einfach daran, dass sie leichte Beute sind. Mit der Bestrafung ihrer Sünden hat das nichts zu tun. Ich kenne nur einen Serienmörder, der ein Kriterium für die Auswahl seiner Opfer hatte, das mit ihnen selbst zu tun hatte.«
»Der Schneemann.«
»Ich glaube jedenfalls nicht daran, dass ein Serienmörder seine Opfer zufällig von einer beliebigen Seite im Gästebuch einer Berghütte wählt. Und sollte in der Hütte etwas vorgefallen sein, das dem Mörder sein Motiv geliefert hat, sprechen wir nicht mehr von einem klassischen Serienmord. Außerdem spricht die Tatsache, dass unser Täter seine Taten so früh zur Schau stellt, gegen einen gewöhnlichen Serienmörder.«
»Was meinst du?«
»Er hat eine Frau nach Ruanda und in den Kongo geschickt, um einen Mord zu vertuschen und gleichzeitig die Mordwaffe für den nächsten zu kaufen. Danach tötet er sie. Er hat, mit anderen Worten, keine Mühen gescheut, um diesen einen Mord zu verschleiern. Bei einem weiteren Mord einige Wochen später tut er nichts dergleichen. Und wenige Wochen danach benimmt er sich wie ein Matador und wedelt uns fröhlich mit seinem roten Tuch vor der Nase rum. Das ist eine Persönlichkeitsveränderung im Zeitraffer. Das passt nicht zusammen.«
»Glaubst du, es könnten mehrere Mörder im Spiel sein? Jeder mit seiner eigenen Methode?«
Harry schüttelte den Kopf. »Nein, eine Übereinstimmung gibt es. Der Mörder hinterlässt keine Spuren. Serienmörder sind an sich schon eine Seltenheit, aber einer, der keine Spuren hinterlässt, ist ein weißer Wal. In diesem Fall gibt es nur einen Täter.«
»Über wen reden wir also?« Kaja breitete die Arme aus. »Einen Serienmörder mit multipler Persönlichkeit?«
»Einen weißen Wal mit Flügeln«, sagte Harry. »Ach, ich weiß es nicht. Ist aber auch egal, wir machen das ja nur zum Vergnügen. Das ist jetzt Sache des Kriminalamts.« Er leerte die Kaffeetasse. »Ich nehme ein Taxi zum Krankenhaus.«
»Ich kann dich fahren.«
»Nett, danke, aber fahr du mal nach Hause und bereite dich auf neue, spannende Arbeitsaufgaben vor.«
Kaja seufzte tief. »Das mit Bjørn …«
»Erfährt keine Menschenseele«, sagte Harry. »Schlaf gut.«
Altman verließ gerade das Zimmer von Harrys Vater, als Harry dort ankam.
»Er schläft«, sagte der Pfleger. »Ich hab ihm zehn Milligramm Morphin gegeben. Sie können trotzdem zu ihm, aber es dauert sicher ein paar Stunden, bis er wieder wach wird.«
»Danke«, sagte Harry.
»Schon in Ordnung, ich kenne das, meine Mutter, sie
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