Leopard
in Norwegen wegen seiner Nebenwirkungen verboten, so dass man es jetzt fast ausschließlich in Entwicklungsländern findet. Das Kriminalamt hat das eine Zeitlang als wichtigste Spur weiterverfolgt, aber ohne Resultat.«
Als sie Beate vierzig Minuten später vor der Kriminaltechnik in Bryn absetzten, bat Harry Kaja zu warten und stieg aus dem Wagen.
»Es gibt noch eine Sache, die ich dich fragen will«, sagte Harry.
»Ja?«, sagte Beate fröstelnd und rieb sich die Hände.
»Was tust du da draußen an einem möglichen Tatort? Warum war Bjørn nicht da?«
»Weil Bellman Bjørn mit einer Spezialaufgabe betraut hat.«
»Und das heißt was? Latrinendienst?«
»Nein. Koordinierung von Kriminaltechnik und taktischer Ermittlung.«
»Was?« Harry zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Das ist ja eine Beförderung!«
Beate zuckte mit den Schultern. »Bjørn ist gut. Es war an der Zeit. Sonst noch was?«
»Nein.«
»Gute Nacht.«
»Gute Nacht. Ach, doch, Moment. Ich hatte dich doch angerufen und gebeten, zu Bellman durchsickern zu lassen, dass wir dieses Seil gefunden haben. Wann hast du ihm die Nachricht weitergeleitet?«
»Du hast mich ja mitten in der Nacht angerufen, also habe ich bis zum nächsten Morgen gewartet, warum?«
»Ach nichts«, sagte Harry. »Nichts.«
Als er sich wieder ins Auto setzte, steckte Kaja gerade ihr Handy in die Tasche.
»Der Leichenfund steht bereits in der Onlineausgabe der Aftenposten «, sagte sie.
»Ach ja?«
»Anscheinend mit einem großen Bild von dir mit vollem Namen und der Bezeichnung Ermittlungsleiter. Natürlich bringen sie den Leichenfund mit den anderen Morden in Zusammenhang.«
»Soso, tun sie das. Hm. Sag mal, hast du auch Hunger?«
»Und wie.«
»Hast du schon was vor? Falls nicht, lade ich dich zum Essen ein.«
»Schön! Wo?«
»Ekeberg-Restaurant.«
»Oh, exklusiv. Warum gerade da? Gibt’s einen bestimmten Anlass?«
»Tja. Ein Freund hat mich an eine alte Geschichte erinnert, da ist mir das Restaurant wieder in den Sinn gekommen.«
»Lass hören.«
»Da gibt’s nichts zu erzählen, das ist bloß eine alte Pubertätsgeschich…«
»Pubertät! Erzähl!«
Harry amüsierte sich im Stillen. Und während sie sich aus dem Zentrum den Ekeberg hochschraubten, erzählte Harry von der Killer Queen, der Königin des Ekeberg-Restaurants, das früher einmal die angesagteste Bauhaus-Villa Oslos war. Und das war sie auch heute wieder – nach der Renovierung.
»In den Achtzigern war das Haus so runtergekommen, dass man kurz davor war, das Lokal ganz aufzugeben. Es war nur noch ein versoffener Tanzschuppen, in dem man um die Wette trank, sich Mühe gab, keine Gläser umzuschmeißen, und sich einander stützend über die Tanzfläche schob.«
»Verstehe.«
»Øystein, Holzschuh und ich hingen damals immer oben bei den Wehrmachtsbunkern in Nordstrand rum und haben darauf gewartet, dass die Jugend vorübergeht. Mit siebzehn haben wir uns erstmals bis zum Ekeberg-Restaurant vorgewagt und sind unter Angabe eines falschen Alters tatsächlich eingelassen wor den. Eigentlich hätten wir wohl gar nicht zu lügen brauchen. Die hatten damals jeden Cent nötig. Die Tanzcombo war schrecklich, aber sie spielten wenigstens Nights in White Satin . Und sie hatten eine Attraktion, die beinahe jeden Abend da war. Wir nannten sie nur die Killer Queen. Ein aufgetakeltes Vollschiff von einer Frau.«
»Aufgetakeltes Vollschiff?« , antwortete Kaja lachend. »Im Visier?«
»Genau«, antwortete Harry. »Kam mit vollen Segeln auf dich zu. Wunderschön und beängstigend. Aufgedonnert wie ein Jahrmarkt und mit Kurven wie eine Achterbahn.«
Kaja lachte noch lauter. »Also der örtliche Vergnügungspark?«
»In gewisser Weise«, sagte Harry. »Aber in erster Linie ging sie ins Ekeberg-Restaurant, um gesehen und angehimmelt zu werden, glaube ich. Und natürlich für die Gratisdrinks von den abgehalfterten Parkettlöwen. Nie ist einer von denen mit der Killer Queen nach Hause gegangen. Wahrscheinlich hat uns gerade das so fasziniert. Eine Frau, die sich ein oder zwei Etagen zu ihrer Verehrerschar herabgelassen hatte, aber dennoch ihren Stil bewahrte.«
»Aber dann?«
»Øystein und Holzschuh wollten mir jeder einen Whiskey spendieren, wenn ich sie aufforderte.«
Sie fuhren über die Straßenbahngleise und die letzte kräftige Steigung zum Restaurant hoch.
»Und?«, fragte Kaja.
»Ich habe es gewagt.«
»Und was ist dann passiert?«
»Wir haben getanzt. Bis sie meinte, sie sei es leid,
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