Leopardenblut (German Edition)
denn die SnowDancer-Wölfe waren bekannt für ihre gnadenlose Grausamkeit, wenn es jemand wagte, in ihrem Territorium nach der Macht zu greifen. Man konnte dort nicht überleben, wenn man nett war.
Ein leiser Glockenschlag ertönte.
„Wollen wir, Mutter?“ Nikitas Verhalten Sascha gegenüber war nicht mütterlich, das war es nie gewesen. Aber die Etikette verlangte eine familiäre Anrede.
Nikita nickte und richtete sich zu ihrer vollen Größe von anmutigen ein Meter siebenundsiebzig auf. Mit ihrem schwarzen Hosenanzug und dem weißen Hemd entsprach sie auch äußerlich von Kopf bis Fuß dem Bild einer erfolgreichen Geschäftsfrau. Ihr schlichter Haarschnitt, der knapp unter den Ohren endete, stand ihr ausgezeichnet. Sie war schön. Und sie konnte tödlich sein.
Selbst wenn sie so wie jetzt nebeneinander gingen, würde niemand sie für Mutter und Tochter halten. Sie waren zwar gleich groß, aber das war auch die einzige Ähnlichkeit. Nikita hatte den asiatischen Schnitt der Augen, das glatte Haar und den Porzellanteint ihrer Mutter geerbt, die zur Hälfte Japanerin gewesen war. Bei Sascha machten sich diese Gene nur noch durch eine leichte Schrägstellung der Augen bemerkbar.
Ihre Haare waren nicht glatt und glänzten auch nicht blauschwarz wie Nikitas, sondern hatten die Farbe von dunklem Ebenholz, schluckten das Licht wie Tinte und kräuselten sich so wild, dass Sascha die ungebärdigen Locken jeden Morgen zu einem strengen Zopf nach hinten binden musste. Der dunkle Honigton ihrer Haut war wohl den Genen ihres unbekannten Vaters zuzuschreiben. In Saschas Geburtsunterlagen stand, dass er angloindischer Herkunft gewesen sei.
Sascha ließ sich etwas zurückfallen, als sie sich dem Besprechungszimmer näherten. Zwar stand sie der offenen Emotionalität der Gestaltwandler nicht so ablehnend gegenüber wie die meisten Medialen, aber sie traf trotzdem nur ungern mit ihnen zusammen. Es kam ihr so vor, als ob sie Bescheid wüssten . Irgendwie konnten sie wahrnehmen, dass Sascha nicht so war wie die anderen, dass sie einen Defekt hatte.
„Mister Hunter.“
Sascha blickte auf. Sie befand sich in Reichweite des gefährlichsten männlichen Wesens, dass sie je zu Gesicht bekommen hatte. Ihr fiel kein anderes Wort dafür ein. Er war mindestens ein Meter neunzig groß und sein Körper schien nur aus roher Muskelkraft und höchster Anspannung zu bestehen, eine zum Kampf bereite Maschine.
Das schulterlange schwarze Haar machte ihn nicht weicher, sondern verriet eher die Leidenschaft und den Hunger des Leoparden, der unter seiner Haut steckte. Sascha zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie einem Raubtier gegenüberstand.
Er drehte den Kopf und nun sah sie die rechte Seite seines Gesichts. Die Klauen einer großen Bestie hatten vier gezackte Linien auf der blassgoldenen Haut hinterlassen. Trotz seiner hypnotisierend grünen Augen waren es diese Male, die Saschas Aufmerksamkeit fesselten. Sie war noch nie einem Jäger der Gestaltwandler so nahe gewesen.
„Miss Duncan.“ Er hatte eine tiefe, etwas raue Stimme, die entfernt an ein Knurren erinnerte.
„Das ist meine Tochter Sascha. Sie wird bei diesem Projekt die Verbindung zu Ihnen halten.“
„Sehr erfreut, Sascha.“ Er nickte mit dem Kopf in ihre Richtung und sein Blick ruhte einen Moment länger auf ihr als unbedingt notwendig.
„Ebenfalls.“ Konnte er ihren aus dem Takt geratenen Herzschlag hören? Stimmte es, dass die Sinne eines Gestaltwandlers denen aller anderen Rassen überlegen waren?
„Bitte!“ Er wies auf den Tisch mit der großen Glasplatte und wartete, bis die beiden Frauen dahinter Platz genommen hatten, ehe er sich auf einen Stuhl direkt gegenüber von Sascha setzte.
Sie ließ sich von der ritterlichen Geste nicht täuschen und blieb weiter auf der Hut, wobei sie sich zwang, seinen Blick zu erwidern. Jäger waren geübt darin, verletzliche Beute aufzuspüren. „Wir haben uns Ihr Angebot angesehen“, eröffnete sie die Verhandlungen.
„Was halten Sie davon?“ Seine Augen waren erstaunlich klar und ruhig wie ein tiefer See. Aber sein Blick war weder kalt noch sachlich, was Saschas ersten Eindruck einer gerade noch im Zaum gehaltenen ungestümen Kraft nur bestätigte.
„Bekanntermaßen funktionieren Geschäftsbeziehungen zwischen Medialen und Gestaltwandlern nur selten. Entgegengesetzte Prioritäten.“ Im Vergleich zu Lucas’ Stimme hörte sich Nikitas fast monoton an.
Sein Lächeln war so unverschämt, dass Sascha nicht wegschauen
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