Ler-Trilogie 01 - Morgenrötes Krieger
Richtung; dann senkte sie den Blick in einer schüchternen, unterwürfigen B e wegung, die er schon vorher an ihr bemerkt hatte. Jetzt aber wußte er, was sie bedeutete.
Mit weicher Stimme sagte sie: „Du und ich – wir be i de müssen dies öfter machen – sooft wir können. Ich h a be Angst, daß sie uns trennen. Ich erwarte so etwas. Ich wünschte, daß es immer so bliebe.“
Han beobachtete sie lange, ohne ein Wort zu sprechen. Er empfand dasselbe – erklären konnte er es nicht; was es auch immer sein mochte, dieses Mädchen dort war für ihn das Kostbarste geworden, das Ende allen Suchens. Einen Grund gab es nicht – es war so, und er wußte, schon lange vor Liszendir, daß eine Liebe (so schwa m mig und inhaltsleer dieses Wort auch im allgemeinen Sprachgebrauch war), die man erklären konnte, im e i gentlichen Sinne keine war. Wenn man schon sagen konnte „weil …“, so war es schon vorbei – ein Teil der Vergangenheit. Er sagte zu ihr: „Auch ich habe diesen Wunsch. Was machen sie normalerweise, wenn es zwei Zlats sind, zwei von deiner Art?“
„Sie bleiben nur so lange zusammen, bis das Mädchen schwanger wird. Manchmal Tage, manchmal Wochen – aber nie lange. Jedoch bei dir und mir – ich weiß nicht recht. Sie haben uns nicht zusammengebracht, um weit e re Zlats zu züchten; deshalb könnte es kürzer oder länger sein. Wer weiß schon, was sie mit uns vorhaben?“
Han lief es eiskalt den Rücken runter. Die Zlats und der ganze Rest waren Haustiere! Äußerst fruchtbar: auch ein Zuchtergebnis. Und keine Verhütungsmittel. Sie w a ren Lichtjahre entfernt. Während der langen Zeit mit Li s zendir hatte er dieses Problem völlig vergessen. Er b e trachtete Usteyin genauer, sah, wie sie ruhig unter der Lampe saß; die ausgefallen schöne Figur, die tiefgründ i gen, nachdenklichen Augen, ihr Geist, die starke Hing a bebereitschaft … Nein! Er war sich sicher: Er würde dies bis zum Letzten durchstehen – was da auch kommen mochte. Er verspürte den plötzlichen Wunsch, sie ganz und für immer zu besitzen, etwas, das ihm bisher fremd gewesen war. Ja, dachte er, bis zum Ende, in der Zivilis a tion, auf Morgenröte oder, wenn es sein mußte, in der Hölle.
„Usteyin, wir haben noch viel vor uns.“
„Ich weiß.“
„Nicht nur mehr, als du zu wissen glaubst, sondern auch mehr, als du im Augenblick wissen kannst“, meinte er, indem er Haldanes Lehrsatz zitierte. „Bist du nicht hungrig? Komm, ich werde etwas für uns beide auftre i ben!“
Ihre Reaktion war völlig anders, als er erwartet hatte. „Du würdest deinen Schlaf und dein Essen mit mir te i len?“ fragte sie plötzlich und begann zu weinen. Er ging zu ihr hinüber, legte wortlos seinen Arm um sie und wa r tete, bis sie sich ganz von allein wieder beruhigt hatte. Selbst solche simplen Dinge waren für sie fremd und u n gewohnt, ungewohnter, als sie selbst für Han in ihrem Wesen je sein konnte. Wiederum mußte er daran denken, daß sie noch sehr viel zu lernen hatte. Sie beruhigte sich sehr schnell, wobei erneut ihre hohe Aufnahme- und A n passungsfähigkeit zum Vorschein kam.
„Nun verstehe ich besser. Dort, wo du lebst, sind wir beide – du und ich – das Volk, sie dagegen nicht. So also siehst du mich. Nicht als ungehorsamen Zlat oder übe r haupt als eine Art Zlat. Willst du das? Sie werden uns wahrscheinlich töten, wenn sie es herausbekommen“, sagte sie tonlos.
„Ja, genauso ist es. Wir sind das Volk. Wo ich he r komme, gibt es unzählige Leute so wie wir beide. Keine Klesh. Wir selber sind das Volk.“
„Ich … ich habe große Furcht davor. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich habe Angst davor, wild zu sein.“
„Das brauchst du nicht, es ist nicht dasselbe wie hier, es ist besser als das, was das Volk hier hat.“
„Dann erzähle mir davon, und ich werde verstehen: über einen Ort, wo die Klesh das Volk sind. Ich habe eine ähnliche Geschichte schon vorher gehört, aber ich wollte es nicht glauben. Solche Dinge erzählen wir uns gege n seitig in unseren Geschichten. Genauso haben auch ein i ge der wilden Frauen gesprochen, manchmal in Worten, die ich nicht verstehen konnte.“
„Das ist eine Klesh -Sprache von einem anderen Ort. Unsere Sprache! Es gibt viele Arten des Sprechens.“
Sie lachte. „Meinst du das im Ernst? Viele? Alle ve r schieden, so wie die Klesh hier? Aber ich weiß, daß wir unter der Haut alle gleich sind, und so weiß ich auch, daß, wann immer wir unsere Bedürfnisse sagen
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