Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Ästen der Bäume befreite und goldenes Morgenlicht in den Hof hinter dem yos warf. Dann sah sie wieder zurück. „Natürlich kann es auch für euch Gefahr geben. Möglich. Aber es gibt sie ganz bestimmt, wenn zum Beispiel ich durch das Tor des Instituts nach draußen marschiere. Aber andererseits ist Gefahr in allen Dingen; selbst ein harmloser Ausflug zum Klohäuschen kann voller Risiken sein: nehmt nur die unbeschnittene Wurzel auf dem Pfade der Derens.“
Fellirian sagte: „Also komm. Wir fragen nach genauen Einzelheiten, und als Antwort bekommen wir die Parabeln eines hermetischen Philosophen erzählt, den wir in diesem Falle genausogut kennen wie du. Vor allem die berühmte Wurzel, die nicht so sehr ein Risiko für die Derens ist als vielmehr eine Vorliebe Morlendens. Sprich geradeheraus oder gar nicht: Gefahr oder nicht Gefahr?“
Sie antwortete: „Ja.“ Aber ihre Antwort wurde mit ruhiger und plötzlich respektvoller Stimme gegeben. Fellirian war sogar in den Kreisen, in denen sich die Perwathwiy bewegte, hochgeachtet, und das sowohl aus allseits bekannten als auch aus für manchen nicht so sehr gut bekannten Gründen, und sie selbst kannte beide gut. „Ja, so ist es. Sehr wahrscheinlich. Die Person, die ihr suchen werdet, war ein Eingeweihter, einer von uns. Ihr werdet diskret vorgehen müssen … ja, verschlossen wäre keine falsche Bezeichnung dafür. Und über das, was ihr enthüllen werdet, sollt ihr mit keinem sprechen, außer im Flüsterton untereinander. Und Bericht sollt ihr den Revens erstatten, die euch korrigieren werden, wenn ihr zu weit vom rechten Wege abgekommen seid. Und ihr müßt bald beginnen, denn gestern ist schon fast zu spät. Wir haben allzulange gezögert, und ich gebe zu, daß dafür ich verantwortlich bin.“
Morlenden empfand ein plötzliches Schwächegefühl, aber er ließ nicht von ihr ab, sondern verfolgte sie weiter, wobei sein hartes, knochiges Gesicht streng und seine Stimme schneidend und entschieden wurde: „Wir sind keine gepanzerten Ritter wie ehedem die Menschen, die auf diesen fürchterlichen Pferden bis ans Ende der Welt zogen. Wir wissen, daß dieses kleine Reservat sehr groß ist, wenn man es zu Fuß durchmessen muß, und daß man unter jeden Blitzbeerbusch schauen muß. Und draußen?“
„Da sage ich, daß das Ende der Welt vielleicht nicht weit genug entfernt ist. Wenn wir zu spät kommen, könnte es das Ende des Universums sein … Aber sagt mir jetzt dies: Wollt ihr tun, was wir von euch verlangen? Allein der Preis sollte euch von unserer Ernsthaftigkeit überzeugen. Es ist die größte Summe, die in unserer Geschichte je für etwas gezahlt wurde.“
Fellirian fragte schlau: „Werden wir hiersein, um sie in Empfang zu nehmen? Und wenn wir sie in Empfang genommen haben, werden wir das überleben können?“
Die Perwathwiy sah sie direkt an. „Das erste, ja. Das zweite … darauf wißt nur ihr die Antwort.“
Sie sprach nicht weiter, und um ihre Bemerkung zu unterstreichen, zog sie sich ein wenig von der Gruppe zurück und drehte sich um, um nachdenklich das Wasser des Bachs zu betrachten. Auch Sanjirmil drehte sich um. Die diesen Gesten innewohnende Botschaft entging ihnen nicht. So gering die Angaben auch waren, sie mußten nun auf dieser Grundlage entscheiden. Sie traten instinktiv näher an den yos heran und sprachen im Flüsterton miteinander.
Zuerst, um die Diskussion zu eröffnen, umriß jeder einzelne klar seine Position. Cannialin war ruhig, aber aus ehrlicher Besorgnis dagegen. Kaldherman war spöttisch und skeptisch, von offener Feindseligkeit. Sie konnten ablehnen, und das wußte er. Er war dafür, die alte Frau zurückzuschicken, versehen mit einem ganzen Haufen allgemeiner Ratschläge, von denen die meisten ohnehin für sie unannehmbar sein würden. Fellirian war mißtrauisch, trug sich jedoch auch mit der anderen Seite der Münze Mißtrauen, der Kehrseite der Neugier. Ihr war bewußt, wie schwer es für eine der stolzen und weitab liegenden Libellenhütte gewesen sein mußte, in Demut über das halbe Reservat zu gehen und etwas in Gang zu setzen, was mit Sicherheit dazu führen würde, daß die Derens in eines der Geheimnisse der Spieler einbezogen werden müßten. Sie wußte nicht, ob sie wirklich etwas davon wissen wollte. Aber die Verzweiflung der alten Frau war unbestreitbar. Die Wichtigkeit der Sache ebenfalls. Man konnte sich nicht vorstellen, was sie dazu bringen konnte, soviel zu bieten – für das Auffinden einer Person.
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