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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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tiefer.
    »Wollen der Herr Baron mich anhören. Es gibt in Amerika, nicht weit von Panama, einen Ort namens La Joya. Dieser Ort besteht aus einem einzigen Haus. Es ist ein viereckiger, dreistöckiger Bauaus Ziegeln, die in der Sonne gebrannt sind. Jede Seite des Hauses ist fünfhundert Fuß lang, und jedes Stockwerk springt gegen das untere zwölf Fuß zurück, läßt also eine Terrasse frei, die wie ein Rundgang um das ganze Haus läuft. In der Mitte ist ein Hof, in dem Vorräte und Munition aufbewahrt werden. Das Haus hat weder Fenster noch Türen. Man begnügt sich mit Schießscharten und Strickleitern, auf welchen man vom Fußboden zum ersten Stock, von diesem zum zweiten und dritten hinaufsteigen und von da wieder in den Hof hinabgelangen kann. Auch die Zimmer sind nicht durch Türen verbunden, denn im Hause gibt es nur Leitern. Abends werden sie eingezogen, man legt die Karabiner in den Schießscharten bereit. Niemand kann eindringen. So ist dieser Ort, der achthundert Einwohner hat, des Nachts eine Zitadelle. Warum so viel Vorsicht? Nun, das Land ist gefährlich. Es wimmelt von Menschenfressern. Warum geht man also dahin? Ach, es ist ein wunderbares Land. Man findet dort Gold.«
    »Was soll das alles?« unterbrach ihn Marius, dessen Enttäuschung jetzt in Ungeduld umschlug.
    »Ich bin ein alter Diplomat, Herr Baron, aber ich bin europamüde. Unsere alte Zivilisation geht mir auf die Nerven. Jetzt will ich es mit den Wilden versuchen.«
    »Und?«
    »Herr Baron, der Egoismus ist das höchste Gesetz auf Erden. Die elende Bäuerin wendet sich um, wenn die Kutsche vorüberfährt; die Bäuerin, die eigenes Land besitzt, wendet sich nicht um. Der Hund des Armen bellt den Reichen an, der Hund des Reichen den Armen. Jeder für sich! Das Interesse bestimmt alle menschlichen Handlungen. Das Gold ist der Magnet, der uns alle anzieht.«
    »Kommen Sie zum Schluß!«
    »Ich möchte nach La Joya gehen. Wir sind unserer drei. Ich habe eine Frau und eine Tochter; das Mädchen ist sehr schön. Die Reise ist lang und teuer. Ich brauche dazu etwas Geld.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Hat denn der Herr Baron meinen Brief nicht gelesen?«
    Allerdings: der Inhalt des Schreibens war Marius entgangen. Er hatte nur die Schrift aufmerksam geprüft. Überdies hatte er einen neuen Fingerzeig empfangen: Der Unbekannte hatte gesagt, meine Frau und meine Tochter. Wieder sah Marius ihn scharf an wie ein Untersuchungsrichter. Schließlich sagte er:
    »Äußern Sie sich deutlicher.«
    Der Unbekannte steckte die Hände in die Taschen und streifte Marius durch seine Brillen mit einem grünen Blick.
    »Gut, Herr Baron. Deutlicher. Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten.«
    »Und was ist das?«
    »Ich beginne gratis«, sagte der Unbekannte, »Sie werden gleich sehen, daß die Sache Sie interessiert. Sie haben, Herr Baron, einen Dieb und Mörder im Hause. Beachten Sie wohl, Herr Baron, daß ich hier nicht von alten, weit zurückliegenden, verjährten Dingen spreche, die durch Amnestie und Reue getilgt sein können. Ich spreche von Verbrechen, die in jüngster Zeit begangen wurden, von Verbrechen, die der Justiz noch nicht bekannt sind. Es ist diesem Manne gelungen, Ihr Vertrauen zu erringen und unter falschem Namen in Ihre Familie einzudringen, Ich weiß seinen wirklichen Namen. Und ich will ihn Ihnen gratis sagen. Er heißt Jean Valjean.«
    »Das weiß ich.«
    »Und ich will Ihnen auch sagen, was er ist. Er ist ein Galeerensträfling.«
    »Auch das weiß ich.«
    »Sie wissen es, seit ich die Ehre gehabt habe, es Ihnen zu sagen.«
    »Nein, ich wußte es schon früher.«
    Die kalte Antwort Marius’ stimmte den Unbekannten zornig. Verstohlen warf er Marius einen wütenden Blick zu. Sofort besänftigte er sich wieder, aber es gibt Blicke, die man wiedererkennt, und dieser entging Marius nicht. Gewisse Flammen können nur aus bestimmten Seelen aufzucken. Brillen verbergen nichts. Man sieht die Hölle auch durch ein Fenster.
    »Ich erlaube mir nicht, Herrn Baron Lügen zu strafen«, erwiderte der Unbekannte lächelnd. »Jedenfalls sehen Sie jetzt, daß ich gut informiert bin. Jetzt sollen Sie aber etwas erfahren, was nur mir bekannt ist. Dieser Punkt geht das Vermögen der Frau Baronin an. Es ist ein außerordentlich wichtiges Geheimnis, ich will es verkaufen. Billig. Es kostet zwanzigtausend Franken.«
    »Ich kenne dieses Geheimnis so gut wie die andern.«
    Der Unbekannte fand es angemessen, den Preis zu senken.
    »Geben Sie zehntausend, Herr

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