Lesebuch für Katzenfreunde
erinnern, und ein gewisser ›jemand‹ wollte vor nicht allzu langer Zeit sogar um sie kämpfen…«
»Das war etwas anderes«, fauchte Ponder. »Ich hatte schon lange einen Vorwand gesucht, Rivalle einen Denkzettel zu verpassen.«
Tanner hob den Kopf und grinste. »Natürlich, Ponder. Deshalb laufen einem hier ständig ein paar freche graue Winzlinge zwischen den Beinen herum.«
Solo lauschte stumm den gutmütigen Sticheleien. Er wußte, alle freuten sich für Ditto. Der schwanzlose kleine Barde war einsam gewesen, solange sie sich erinnern konnten, und er hatte sein Glück wirklich verdient.
Kitty-Kitty half den neuen Prills, sich zurechtzufinden, und Seidon kümmerte sich um die Barden. Man mußte sie zumindest so lange von allen anderen getrennt halten, bis sich ihr Gesundheitszustand gebessert hatte und sie sich wieder selbständig versorgen konnten. Aber Solo wußte, sie litten weniger unter Krankheiten als an Entkräftung und den Nachwirkungen der schrecklichen Angstzustände. Selvyn ermunterte die Befreiten immer wieder mit der tröstlichen Versicherung: »Das kräftige Zwiebelkraut und die beinlosen Wassergleiter heilen alles .« Er mußte es wissen, denn seit sie im Mondwald lebten, hatte der Rote mit dieser Diät keine Verdauungsbeschwerden mehr gehabt. Natürlich wollte Ditto nicht von Doebys Seite weichen. Hinter ihr lagen Erlebnisse, die schlimmer waren als der Tod, und sie war eine zahme Katze. Sie brauchte ihn zur Umstellung auf das Leben im Mondwald.
Seidon kam in die Höhle und setzte sich vor Solo. Es war noch Nacht, aber alle waren völlig erschöpft. Die vier Nächte, in denen sie nur im Schneckentempo vorwärtsgekommen waren, hatten sie sehr viel mehr angestrengt als der Weg hinunter zu den Besitzern. Seidon legte den Kopf müde zwischen die Vorderpfoten, als er Solo Bericht erstattete.
»Alle sind untergebracht, und wir haben die Wachen aufgestellt. Grover hat Außenwache… er ist jung, aber verantwortungsbewußt, und ich glaube, er hat seine Aufgabe im Griff.« Seidon zögerte und blickte auf.
»Noch etwas? Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte der junge Dom, dem das leichte Zögern nicht entgangen war.
»O nein, Solo. Alles ist bestens. Es ist nur… das Quorum… sie sind alle so aufgeregt. So habe ich sie noch nie gesehen. Sie wollen eine Versammlung… sie wollen alles über die Befreiung hören… von dir.«
»Eine Versammlung? Jetzt? Das kann nicht dein Ernst sein!« stöhnte Tanner.
Ponder knurrte: »Versammelt euch, redet, beratet, aber ohne mich. Mich kriegen keine wilden Wolfer hier raus.«
Selvyn rollte sich auf den Rücken und streckte sich ausgiebig. »Sag ihnen, der Dom muß schlafen, er ist auch nur eine Katze.«
»Manche sind von… schlimmen Orten geflohen und haben sich unter großen Gefahren hierher durchgeschlagen«, sagte Seidon leise und mied Solos Blick. »Sie glauben jetzt, du findest eine Möglichkeit, auch die dort Zurückgebliebenen zu befreien.«
»O Silt«, stöhnte Ponder und verdrehte die Augen. »Ich glaube, wir werden zu einem Lebenswerk und nicht zu einer Versammlung gerufen.« Tanner schwieg nachdenklich und sah Solo fragend an.
Solo seufzte und rieb sich die Augen an den Vorderpfoten. Er hatte es im Grunde nicht anders erwartet. Die Bitte des Quorums überraschte ihn deshalb nicht. Und er wußte, sie alle hielten ihn für einen der ›Großen‹, denn davon hatte Morgalian geträumt. Und als Solo auf dem Berg erschien, war er zufrieden auf die letzte Reise gegangen. Niemand spricht darüber, O nein. Aber alle glauben es, dachte Solo bekümmert. Selvyn unterbrach seine Gedanken.
»Wenn du noch einmal gehst, bleibe ich nicht hier oben. Du kannst mich nicht dazu zwingen. Es waren die längsten Nächte meines Lebens. Beim nächsten Mal bin ich dabei!«
»Ich glaube nicht, daß wir deshalb eine Versammlung einberufen sollten. Jeder, den wir hierhergebracht haben, kann seine Geschichte erzählen – wann und wie er will. Man sollte niemanden zwingen oder drängen. Das Quorum wird das verstehen. Und was weitere Befreiungen angeht«, er schwieg und holte tief Luft, »ich finde, beenden wir doch erst einmal diese.«
Solo hatte entschieden, und damit war die Angelegenheit erledigt. Seidon stand müde auf und lief hinaus. Die Barden rollten sich dankbar zusammen und schliefen sofort ein. Solo lag lange wach, oder träumte er? Immer wieder hörte er die eindringlichen Worte – und es waren seine Worte (oder hatte er sie nur gedacht?): »Es sind nur
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