Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
Vom Netzwerk:
leben. Lucinda ging die Wendeltreppe zum Badezimmer hinauf. Sie kannte sich in seiner Wohnung aus, denn er war der Mann, den sie liebte. Er war empfindsam, gütig, lustig und talentiert. Zudem liebte er es, schöne Dinge zu fotografieren, und schöne Frauen wie Lucinda. Sie hatte seltsame Augen, die einen verfolgen konnten: groß und leuchtend wie grünes Wasser, mit kleinen Goldflecken drin. Ihre Backenknochen waren schmal und hoch, als stamme sie von einer tibetanischen Prinzessin ab, und ihr langes silbernes Haar spann einen Zauberschein um ihr Gesicht. Sie bewegte sich stets graziös, hatte Würde und einen lieben Charakter. Kein Wunder, daß sie ein hochbezahltes und erfolgreiches Modell war.
    Lucinda warf den schweren Pelz ab, schlüpfte aus Bikinihöschen und Büstenhalter und trat unter die Dusche. Sie stellte das Wasser auf lauwarm und neigte den Kopf seitwärts, damit Haar und Make-up nicht naß wurden.
    Als das Wasser ihre Haut berührte, durchfuhr es sie wie ein elektrischer Schlag. Sie sprang zur Seite und drückte sich eng an die Wand der Duschkabine, ihre Nervenzellen kribbelten. Das Wasser ergoß sich harmlos von der Düse auf ihre nackten Füße, aber sie schrie auf und wand sich hin und her, um dem Naß zu entgehen. Ihre Zehen verkrampften sich, ihr ganzer Körper schauderte, und sie wimmerte vor Entsetzen.
    Als Lucinda den Vorhang zischenden Dampfes sah, der sie von der Außenwelt trennte, wuchs ihre Furcht. Es war ein Gefühl, das in alle Nervenenden ihrer Haut kroch. Eine schreckliche Ahnung, sie würde ertrinken, würgte sie. Sie war so außer sich, daß sie beinahe das Bewußtsein verlor. Aber sie mußte hinauskommen. Sie mußte sich stählen, um durchs Wasser zu springen. Es abzudrehen, kam ihr nicht in den Sinn.
    Sie taumelte durch die peitschenden Tropfen, mit fest geschlossenen Augen und hilflos keuchend, ohne an ihr Haar oder ihr Make-up zu denken. Zitternd stand sie auf der Badematte, ihre Knie drohten nachzugeben. Sie verstand nicht, was passiert war, aber das Grauen, als das Wasser ihre Haut berührte, war ganz wirklich gewesen.
    Es dauerte mehrere Minuten, bis sie sich wieder gefaßt hatte. Sie langte nach einem großen Tuch und begann sich zu trocknen; sie tupfte nicht nur die Feuchtigkeit weg, sondern rieb sich energisch, bis ihre Haut trocken war. Sie beruhigte sich und fand die Erklärung, der Pelz habe Flöhe enthalten. Das mußte es sein. Anders war es nicht zu verstehen. Mikroskopisch kleine Insekten waren wohl im Pelz gewesen, nahe ihrer Körperwärme. Nun, sie würde diesen Mantel nicht mehr tragen. Sie schlüpfte in Marcs Bademantel und ging ins Atelier hinunter.
    »Hast du genug Aufnahmen von diesem Mantel?« fragte sie mit möglichst normaler Stimme. Sie schwang den Ozelotpelz über die Kleiderstange, so daß es aussah, als kauerte da ein Tier vor dem Sprung; ein Ärmel hing wie ein Katzenschwanz herunter. »Mehr als genug, Liebes. Ist dir gut? Du schaust blaß aus. Sollen wir aufhören?«
    Lucinda schüttelte den Kopf und brachte ein Lächeln zustande. »Nein, mir geht’s gut. Ich muß nur Gesicht und Frisur wieder in Ordnung bringen.«
    »Ich möchte noch das anliegende Abendkleid und das Polarfuchs-Cape fotografieren. Das sieht genau richtig aus vor einem Muschelstand«, grinste er.
    Lucinda posierte für jeden Blickwinkel, streckte ihre Glieder, schüttelte den Essig, steckte eine Muschel zwischen ihre glänzenden Lippen. Es waren seltsame kleine, farbige Fischstückchen; sie hatte noch nie so etwas gegessen. Die erste rutschte ihre Kehle hinunter, ohne daß sie es merkte. Marc kreiste um sie… Click, click, click… Der Auslöser seiner Kamera klang wie Kastagnetten.
    »Lucinda! Du hast ja alle gegessen! Alle meine Versatzstücke! Ich wußte nicht, daß du Muscheln so gern hast. Vielleicht brauche ich dich jetzt nicht mehr zum Essen einzuladen.«
    »Es tut mir schrecklich leid«, sagte Lucinda perplex. »Ich habe überhaupt nicht gemerkt, daß ich sie aufaß. Habe ich die Aufnahmen verdorben?«
    Marc begann, die Kameras abzubauen. »Natürlich nicht, Liebes. Wahrscheinlich bist du wieder am Hungern, daher siehst du so bezaubernd abwesend aus. Wann endlich darf ich dauernd und richtig für dich sorgen?«
    »O Marc, bitte…« Lucinda zog sich rasch im kleinen Zimmer der Modelle an. »Ich will nicht darüber sprechen, besonders nicht heute.« Ihr Erlebnis in der Dusche hatte sie nervös und unsicher gemacht. Sie begann, ihre Nägel zu feilen. Sie waren lang und

Weitere Kostenlose Bücher