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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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gegen Wasser machte ihr allmählich das Leben schwer. Bäder kamen nicht mehr in Frage. Und unter der Dusche war sie voller Ablehnung selbst gegen eine ganz kurze Berührung mit dem Naß. Sie brauchte kiloweise Reinigungscremes, und sie hatte sich Teller und Tassen aus Karton besorgt, um nicht abwaschen zu müssen. Wie seltsam war ihr Leben geworden, sie verstand es nicht. Vielleicht sollte sie einen Arzt aufsuchen; es konnte an ihren Hormonen liegen.
    Sie trank ein Glas Milch und aß ein wenig rohe Leber, mit der sie eine Paté hatte machen wollen. Dann ging sie ins Schlafzimmer, legte sich aber nicht ins Bett. Statt dessen rollte sie sich am Fußende zusammen und schlief unter dem Bettüberwurf.
    Der Arzt schickte sie zu einem Spezialisten. Der glaubte, es handle sich um eine psychologische Reaktion auf ihre Berufsarbeit, bei der Schönheit und Reinlichkeit die Hauptrolle spielten. »Sie kämpfen gegen Ihr eigenes Image«, sagte er, vergnügt über diese Formulierung. Er schrieb sie auf, um sie später wieder zu verwenden.
    Seine gescheiten Worte halfen aber nichts gegen ihre Wasserscheu. Einmal kauerte sie im Regen auf ihrer Feuertreppe; das leichte Sprühen war eben noch erträglich. Ihr Gesicht lag auf den Knien, Regen rann ihr das Haar hinunter. Eine kleine, weiche, gepolsterte Pfote berührte vorsichtig ihre Knöchel. Es war eine kleine rote Katze; Regentropfen glitzerten auf ihren Schnurrbarthaaren wie Perlen, und ihre Augen waren fragend und neugierig.
    »Hallo«, flüsterte Lucinda und streichelte das nasse Fell sanft. »Ist die Welt nicht seltsam, Katze?«
    Die Katze schaute sie unverwandt und besorgt an. Sie konnte ihr nicht helfen.
    »Wach auf, Liebes. Du bist wieder eingeschlafen«, sagte Marc zum drittenmal am selben Morgen. Lucinda gähnte und streckte wonnevoll ihr Rückgrat.
    »Ich habe herausgefunden, daß ich jederzeit für ein paar Augenblicke einschlafen und dann ganz erfrischt aufwachen kann«, sagte sie leichthin. »Es scheint mir ganz natürlich.« Sie stand vom Atelierboden auf und begann herumzuwandern; dann ging sie zu Marc und schmiegte ihr Gesicht an seinen Arm. »Hast du Milch da?« fragte sie.
    »Soll ich dir Kaffee machen?« bot er an.
    Sie schüttelte den Kopf und kratzte sich am Ohr. »Ich mag Kaffee nicht mehr. Nur Milch… Oder hast du Sahne?«
    »Die allerbeste«, versprach er.
    In den Nächten schlief sie immer weniger und wanderte dafür herum. Sie entdeckte, daß sie ohne Taschenlampe im Dunkel bestens sah, und sie hatte nie Angst. Auch ihre Höhenfurcht war verschwunden. Eines Nachts marschierte sie ohne Zögern über das Geländer der London Bridge und hielt vollendetes Gleichgewicht.
    Sie setzte sich neben die steinernen Löwen, die am Themseufer Kleopatras Nadel bewachten. Es gab eine Menge Legenden um den hohen Obelisken, Geschichten von Geistern, die zum Ort zurückkamen, von dem aus sie in die Themse gesprungen waren. Ob der kalte Stein wohl das sonnenerfüllte Heliopolis vermißte, wo er vor dreieinhalbtausend Jahren gestanden hatte? Ihre Kleider waren heiß und juckten sie; sie hätte sie gerne abgelegt, den Ledergürtel ihres Mantels geöffnet und ihn zu Boden gleiten lassen. Ihre Schuhe beengten ihre Zehen; sie streifte sie ab.
    Marc hatte Gelegenheit, ein Wochenendhäuschen mit großartiger Aussicht auf die Mendip Hills zu kaufen. Der Preis war günstig, und die Bank würde eine großzügige Hypothek gewähren.
    »Aber ich schließe nicht ab, bis ich endgültig weiß, daß wir Zusammensein werden.«
    »Natürlich werden wir Zusammensein«, sagte sie liebevoll.
    »Ich meine, verheiratet«, sagte er und preßte den Mund zusammen. »Wir sollten uns endlich entscheiden, Lucinda.«
    »Bitte, nein«, sagte Lucinda. »Zwing mich nicht, zwischen euch zu entscheiden.«
    »Zwischen euch? Was meinst du? Ist da jemand anderer?«
    »Nein…«, sagte Lucinda unglücklich. »Ich meinte, zwischen dir und meiner Freiheit, meiner Unabhängigkeit.«
    »Du meintest einen anderen Mann.« Marc war verletzt und zornig. »Endlich verstehe ich, warum du dich nicht festlegen wolltest. Ich hätte es wissen müssen. Vielleicht gibt es Dutzende von Männern in deinem Leben.«
    Lucinda erschrak über diese grundlose Beschuldigung und den grimmigen, lieblosen Ausdruck seiner Augen. Sie stürzte sich mit den Fingernägeln auf ihn. Fassungslos über ihren Angriff packte er ihre Handgelenke und hielt sie mit eisernem Griff von sich ab. »Du kleine Höllenkatze«, knurrte er. »Wage es nicht, mit

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