Lesereise Kanarische Inseln
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Jungfrauen unterwegs
Auf La Palma wie auf El Hierro gehen Madonnen auf Wanderschaft
El Hierro ist bekanntlich eine kleine Insel. Nur etwa zehntausend Einwohner leben auf dem schroffen Eiland. Doch alle vier Jahre wird es von Besuchern regelrecht überflutet, anlässlich der Bajada de la Virgen nämlich. Dann sind bis zu dreißigtausend Menschen auf El Hierro, und kein einziges freies Bett ist mehr zu finden. Jeder will dabei sein, wenn die Madonna an einem heißen Julitag ihren Abstieg aus dem Gebirge zu den Gläubigen antritt. Die Sache ist ernst. Mitunter kommt es dabei zu handfesten Raufereien zwischen Dorfgemeinschaften ob der Frage, wie die Route der Prozession zu verlaufen habe.
Die »Jungfrau der Heiligen Drei Könige« kam einst übers Meer zu den herreños , an Bord eines Schiffes mitgeführt, das sich vor der Küste El Hierros so lange in den Wellen nicht vom Fleck bewegte, bis die Gottesmutter an Land gehen durfte. So jedenfalls erzählt es die Überlieferung. Daraufhin wurde die Madonna den Inselbewohnern als Geschenk übergeben, um fortan Regenwunder zu erwirken, wann immer eine Dürre eintrat.
Normalerweise lebt die babypuppengroße Virgen de los Reyes in ihrer ermita im Hochland, wo die Sabinar-Bäume vom Passatwind zu bizarren
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Krüppeln gekrümmt werden. Alle vier Jahre aber wird die Jungfrau in einer feierlichen Prozession fast dreißig Kilometer weit über die Höhenzüge der Insel bis in das Hauptstädtchen Valverde geschleppt. Hirten in traditioneller Kluft führen den Marsch an, Volkstanzgruppen in Tracht drehen sich in anmutigem Reigen. In den Dörfern reihen sich die Heiligenfiguren aus den jeweiligen Pfarrkirchen in den frommen Zug ein. Unterwegs wird die Madonna auf Feldaltären abgesetzt, während die Gläubigen sich zum Gebet versammeln und anschließend gemeinsam picknicken, um neue Kraft für den langen Weg zu sammeln. Ist die Wanderung der Bajada de la Virgen vollbracht, wird gefeiert, was das Zeug hält. Schließlich sind alle Auslands- Herreños extra zu diesem Termin angereist und Familienmitglieder, die sich Jahre nicht gesehen haben, sind endlich einmal wieder vereint. Dann muss die Gottesmutter auf ebenso langem Marsch wieder zurück in ihre Bergeinsamkeit gebracht werden.
Doch auch auf der Nachbarinsel La Palma gibt es eine Bajada de la Virgen, die allerdings nicht alle vier, sondern alle fünf Jahre gefeiert wird, sodass die großen Ereignisse der beiden westlichsten Kanareninseln nur alle zwanzig Jahre terminlich dicht beieinanderliegen. Auch die »Heilige Jungfrau vom Schnee« von La Palma ist eine äußerst wundertätige Madonna, die bereits bei Heuschreckenplagen, Piratenüberfällen und Vulkanausbrüchen geholfen haben soll – letztere löschte sie einfach mit dichtem Schneefall. Ebenso wie auf El Hierro hat die Bajada auch auf La Palma eine lange Tradition. 1680 fand
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sie zum ersten Mal statt. Allerdings ist der Weg der Madonna in die Hauptstadt Santa Cruz hier nur vergleichsweise bescheidene fünf Kilometer lang. Die Wochen währenden Festlichkeiten zur Ehren der Gottesmutter sind aber mindestens so aufwendig und prachtvoll wie auf der Nachbarinsel: eine Mischung aus Volksfest und religiösem Ritual, karnevalesken Umzügen und überschäumender Lebensfreude. Viva la virgen!
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»Mit Kartoffelbäcker geröstetes Ferkel«
Kanarisches Küchenlatein für Fortgeschrittene
Das kulinarische Vokabular des jeweiligen Urlaubslands ist nicht unbedingt jedem Reisenden vertraut. Es ist daher ein gastfreundlicher Brauch, Speisekarten ins Deutsche zu übersetzen. Gewisse orthografische Fehler oder eigenwillige Formulierungen sollten selbst notorische Besserwisser milde beurteilen. Denn die Beschreibung dessen, was die Küche zu kredenzen gedenkt, ist nicht immer einfach, besonders wenn Landestypisches auf der Karte steht, zu dem sich vielleicht nur schwer eine passende Benennung finden lässt. Aber wie gesagt: Der gute Wille zählt! Auch Spaniens paradores pflegen ihn. Überhaupt kann man die Häuser dieser staatlich geführten Kette nur wärmstens empfehlen. Viele von ihnen befinden sich in den ehrwürdigen Mauern uralter Burgen, Klöster oder Paläste. Andere Häuser sind weniger wegen ihrer historischen Adresse als vielmehr wegen ihrer landschaftlich superben Lage berühmt. Letzteres trifft auf den Parador Cañadas del Teide im Hochland von Teneriffa zu, ein behagliches Haus im Stil einer Mountain-Lodge am Fuß des höchsten Berges von
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