Lesereise Nordfriesische Inseln
ihnen mit Thymian gewürzte Rollen gemacht, Karrees, Koteletts und Steaks, Frikassees, Klöße, Filets und für den Hunger zwischendurch Frikadellen. Die »Nordfriesischen Lammtage« stehen vor der Tür. Hochsaison für Gourmets und Spitzenköche. Speziell Fleisch vom Salzwiesenlamm gilt weltweit als Delikatesse. Mag sein. Wir verzichten gern. Und wenn der Tusch zum »Lammball« fällt und die »Lammkönigin« gekürt wird, legen wir eine Schweigeminute ein.
Tschüss, brave Schäfchen, passt gut auf euch auf! Bald kommen wir wieder zurück. Rundum erneuert. Hoffentlich seid ihr dann noch da!
Friesennerz und Friesentorte
Was Leib und Seele bei »Schietwetter« zusammenhält
Meine schönste war weiß. Mit silberfarbenen Metallknöpfen. Schirmkapuze mit Kordel zum Zuziehen. Und den großen quadratischen Außentaschen links und rechts, in die alles bequem hineinpasste, was unterwegs nötig war: Kurkarte, Klogroschen, Lakritze. Fehlt irgendwas? Öljacke nannten wir diese praktische Kluft, die sich mit Shorts und Bikini, Jeans oder Mini gleichermaßen kombinieren ließ und mit weißen Tennisschuhen, den Sneakers der Swinging Sixties, einfach klasse aussah. Auf Helgoland hatte ich die Jacke mit vierzehn oder fünfzehn bekommen und war überglücklich. Besonders wegen der Farbe Weiß. Das war neu. Mit gelber Öljacke rannte jeder rum. Meine Eltern kauften gern »Vernünftiges«, was lange hielt. Immer im selben Eckgeschäft im Unterland, wo es englische Socken und schottische Schals und irische Wollpullis gab. Meistens gingen wir gleich am Morgen nach unserem Ankunftstag los. Von großem sofortigen Erholungswert war nämlich, dass jeder wusste: »Ah! Wieder da?« Stammgast zu sein, versprach hohes Sozialprestige. Zehn Jahre, zwanzig Jahre, dreißig Jahre auf Helgoland? Oder auf Amrum? Auf Föhr? Ein echtes Kapital! Denn je länger und lückenloser vor allem die runden Jubiläen, desto wichtiger, respektabler war der betreffende Mensch und den Insulanern ein ordentliches Stück nähergerückt (was diesen jedoch nicht unbedingt behagte). Laufend woanders hinzureisen, imponierte wenig. Protzen war ohnehin verpönt. Jedenfalls bei denen, die den Wohlstandstamtam gleichmütig hinnahmen und ihrem Leben auch ohne Söhnlein-Sekt in der Strandburg und heimlichem Nachbräunen mit »Tamloo« einen tieferen Sinn abgewannen. Bodenständigkeit hatte Gewicht. Solidität. Wie die Öljacken, die man heute fast nirgendwo mehr kaufen kann. Oder die kaum noch einer will. Schade.
Als leidenschaftliche Anhänger jenes absolut wasser- und winddichten Inbegriffs einer Outdoorjacke, die man ausschließlich und allein an der Nordsee trägt (undenkbar in den Bergen Tirols oder an der Costa Brava – selbst, wenn es dort in Strömen regnen sollte, was ja durchaus passiert), haben wir uns gefragt, seit wann jenes Kleidungsstück überhaupt auf dem Markt ist und warum es »Friesennerz« heißt?
Berliner könnten den Friesennerz erfunden haben, das heißt nicht den Stoff, aus dem er gemacht ist (dazu kommen wir gleich), sondern die Bezeichnung. Denn Berliner, genauer gesagt Westberliner, eingekreist von der DDR , bevölkerten seinerzeit, als Bonn die Hauptstadt Deutschlands war, Sylt in signifikantem Ausmaß. Bequem erreichbar per Zug ab Bahnhof Zoo. Oder per Flieger ab Tempelhof. Mit dem Auto zu reisen, stellte Gemüt und Nerven auf harte Proben. Herrschten doch auf der Transitstrecke durch einsame Melancholie absurde Tempolimits, bis der goldene Westen hinter Boizenburg endlich – nach fünf, sechs Stunden – in Lauenburg erreicht war. »Knorke! Jeschafft!« Nun konnte Richtung Niebüll auf die Tube gedrückt werden. Der Himmel wurde schwarz und schwärzer. Dann goss es aus Eimern. »Is doch schnubbe! Für wat ham’wa ’n Friesennerz im Koffa?« Das könnte die Geburtsstunde unseres Suchbegriffs gewesen sein, der bald in aller Munde war, dessen Herkunft aber bis heute nicht geklärt ist.
Fündig wurden wir lediglich dahingehend, dass es bereits bei den alten Ägyptern Usus war, sich mit gewachstem Leinengewebe oder geöltem Papyrus gegen Regen zu schützen, dass die Chinesen Papier und Seide zu selbigem Zweck lackierten und die Eingeborenen des Amazonasbeckens ihre Mokassins mit dem Milchsaft des Gummibaums bestrichen. Diese grandiose Idee klaute 1747 ein französischer Ingenieur namens François Fresneau und entwickelte ein chemisches Verfahren, das für mehr Elastizität sorgen sollte. Das gelang ihm auch, allerdings mit dem Nebeneffekt,
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