Lesereise Rom
Gesundheitswesen etwa. Es existiert ein kaum noch benutzter Bahnhof, eine Tiefgarage wurde für das Jahr 2000 gebaut. Auch ein Himmelsobservatorium gehört zum Bestand, ausgelagert nach Castelgandolfo.
Vatikanbedienstete können zudem im Schatten der Kathedrale mit Sonderausweis günstig einkaufen, Kleider, Tabak und Elektrogeräte etwa. Die Tankstelle verkauft Benzin um ein Drittel billiger als außerhalb des Vatikans, an der Kasse des Supermarkts sitzen junge Männer in blauen Pullovern, und in der Apotheke hängen ebenso ein Papstbild und ein Kruzifix wie in den Pförtnerlogen, im Postamt, in der Redaktion des Osservatore Romano oder im Wachlokal der Schweizergarde.
Des Papstes Leibsoldaten schieben einen harten Dienst, besonders am St. Annen-Tor, wo unentwegt Autos und Fußgänger ein- und ausströmen. Der Vatikan ist ein Pendler- und Gastarbeiter-Staat, es wohnen hier nur etwa vierhundertsiebzig Menschen, und die sind nicht einmal zur Hälfte auch vatikanische Staatsbürger. Als solche sind die hundertzehn Soldaten der Schweizergarde, die rund zweihundertsechzig päpstlichen Diplomaten in aller Welt, gut fünfzig Kurienkardinäle sowie rund fünfzig Priester und etwa fünfundzwanzig Laienbedienstete anzusehen, im Ganzen über fünfhundert Personen, die fast alle auch die Staatsbürgerschaft ihres Heimatlandes haben. Nur fünfundzwanzig Vatikanbürger sind weiblich – Gattinnen und Töchter von Laienbediensteten oder höheren Chargen der Schweizergarde. Mindestens eine von ihnen ist Protestantin: die Ehefrau des Kommandanten der Schweizergarde. Mehr als zweihundert Mönche und Nonnen sowie über vierzig Laien leben im Vatikan, ohne seine Staatsbürgerschaft zu besitzen.
Ihre Lebensregungen sind eher unauffällig, freilich gibt es im Vatikan auch Leute wie den Garde-Korporal Pino Coco, der ein Motorrad Marke Harley Davidson fährt und auch öfters in den Vatikanischen Gärten Radtraining macht, den Hügel hinauf, vorbei an gepflegten Rabatten und Buchsbaumhecken, die in wundersamen Formen geschoren sind. Die Gardisten haben auch einen eigenen Fußballclub, den FC Guardia, und regelmäßig messen sie ihre Kräfte mit den Teams des Osservatore Romano , der Vatikanischen Museen, des Geheimarchivs, der Post, der Vatikanbank IOR oder der technischen Abteilungen. Im Frühling 1998, während einer mehrwöchigen Asien-Synode, wurden morgens regelmäßig auch ein gutes Dutzend Bischöfe in den vatikanischen Gärten beim Joggen gesehen.
Ein Ort für Freizeitvergnügungen wird der Staat des Papstes damit noch nicht. Gebet und Arbeit zeichnen hier die Tage. Früh um sieben Uhr begeben sich die Franziskanerpatres aus dem Palazzo del Tribunale in die Beichtstühle von St. Peter. Sie sind zu dreizehnt, stammen aus verschiedenen Ländern, sind in Sprachen bewandert, in kanonischem Recht und Moraltheologie geprüft von einer Kommission des Apostolischen Bußgerichts. Die Beichtväter arbeiten schichtweise, je vierundzwanzig Stunden die Woche und je vier Stunden am Tag, denn länger kann man sich kaum konzentrieren. Katholiken aus aller Welt sagen ihnen ihre Sünden ins Ohr, darunter viele Priester und Ordensleute, und niemals dürfen die Patres darüber reden. Es ist eine schwere Belastung, wie einer der Beichtväter zugibt. Manche tragen diese Mühsal schon seit Jahrzehnten und würden lieber einmal etwas anderes tun, der Job ist keineswegs begehrt. »Hier kann allerhand ankommen«, sagt der Kapuziner.
Dass die Orden im Vatikan gewisse Aufgaben wahrnehmen, hat Tradition. So wie die sogenannten konventualen Franziskaner für die Beichte in St. Peter zuständig sind, ist den Jesuiten Radio Vatikan übertragen, die vatikanische Druckerei den Salesianern und die Post dem Ordine di Don Orione , wobei unter der Leitung der Ordensbeauftragten jeweils auch Laien als Beschäftigte wirken. In der Telefonzentrale sitzen Nonnen der Famiglia Paolina , in der Apotheke führen die Barmherzigen Brüder das Heft, die Augustiner besorgen die päpstliche Sakristei, päpstlicher Haustheologe ist traditionell ein Dominikaner, und Prediger des Päpstlichen Hauses ist der Kapuzinermönch Raniero Cantalamessa.
Er hält vor großen Festtagen geistliche Betrachtungen, in die prächtige Sala Clementina werden dazu von der Präfektur des Päpstlichen Hauses alle Kardinäle und Patriarchen geladen, ferner die Erzbischöfe und Bischöfe, die Sekretäre der Kongregationen, die Prälaten der Päpstlichen Familie, der Römischen Kurie und des Vikariats
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