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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brill
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Herbst wird sie ein neues Rezept erproben, aus dem Piemont: in einem kleinen Glas ein Schuss Espresso mit zerlaufendem Schokoladeneis, darüber wird Orangenlikör gegossen. Damit das Eis auch schmeckt und tröstet, wenn in der Stadt nicht mehr die Hitze herrscht.

Drei Erzengel im Internet
Ein Streifzug durch den Vatikan enthüllt exotische Kontraste
    Dies ist ein Land mit rund zehntausend Zimmern, und eines von ihnen ist das Internetbüro. Es befindet sich im Apostolischen Palast, drei Stockwerke unter den päpstlichen Gemächern. Gleißendes Neonlicht fällt auf fünf Schreibtische und fünfzehn Bildschirme, in der Luft liegt ein Surren, das vom Kühlgebläse der Apparaturen rührt, und Schwester Judith Zoebelein hat an ihrem Monitor das Bild eines Mannes namens Jesus aufgestellt, eine Miniatur-Ikone. Schirm und Prozessor nämlich stehen im Dienste christlicher Verkündigung, wie alles im Vatikan.
    Schwester Judith, die dem Orden der »Franciscan Sisters of the Eucharist« angehört und eine braune Kutte nebst schwarzem Schleier trägt, ist Amerikanerin. Sie spricht mehrere Sprachen und ist mit Computern so vertraut, dass sie 1991 in die Abteilung Datenverarbeitung der Vermögensverwaltung des Apostolischen Stuhls berufen wurde. Inzwischen leitet sie das Internetbüro des Heiligen Stuhls, eine Reihe junger Informatiker stehen ihr zur Seite. Das Internet ist »für die universale Kirche das perfekte Instrument«, sagt Schwester Judith. Es befördert unbeschränkt Botschaften in alle Winkel der Welt, und eine Institution, die gerade dies zum Ziel hat, muss sich da einklinken.
    Drei Erzengel hängen am World Wide Web. Michael, Gabriel und Raphael heißen die Computer, mit denen der Vatikan seit Ostern 1997 seine Internetstation betreibt. Papstreden sind ebenso im Angebot wie Konzilsbeschlüsse und Tagesmitteilungen, in acht Sprachen. Unter der Adresse www.vatican.va meldeten sich anfangs rund siebenhunderttausend Nutzer im Monat, nach zwei Jahren war die Zahl der Kontakte auf mehr als sechzehn Millionen gestiegen, und sie wächst immer weiter. Als 1996 in der Testphase die Weihnachtsbotschaft des Papstes ausgesandt wurde, konnte ein Priester in Kalifornien, neun Stunden der mitteleuropäischen Zeit hinterher, sie noch für seine eigene Festpredigt verarbeiten. Per E-Mail hat er sich bedankt.
    Über Räume, Zeiten und Kulturen hinweg ist Rom der Mittelpunkt der katholischen Welt. Von hier aus steuert der Papst die Kirche mit einem Stab, der relativ geringen Aufwand treibt. Uralte Tradition prallt auf die Ansprüche der Moderne, es koexistieren Hubschrauberlandeplatz und höfisches Zeremoniell. Kontraste und Konfigurationen, die nirgends sonst zu finden sind, verbinden sich zu einem faszinierenden Gebilde, das seine Strukturen auf einem Streifzug nur nach und nach enthüllt.
    Das Zentrum ist St. Peter, die größte Kirche der Christenheit, die alltäglich die globale Dimension des Katholizismus reflektiert, besonders morgens zwischen sieben und acht Uhr. Priester aus allen Kontinenten, die in Rom zu Besuch sind, eilen dann über die glänzenden Marmormuster zur Sakristei, wo ihnen Don Piero, der Sakristan, und seine Helfer ein Messgewand aushändigen und einen der dreiundreißig Altäre zuweisen. Mit dem Kelch sieht man die Geistlichen danach zu ihren Plätzen schreiten, hier liest einer die Messe still für sich, dort hat ein zweiter sieben Nonnen um sich versammelt, ein dritter steht mit einer Reisegruppe am Altar, und aus einer Grotte schallt Gesang herauf.
    Es sind oft mehr als fünfzig Priester, die sich nach diesen Morgenmessen in der geräumigen Sakristei ins Registerbuch einschreiben. Für manchen Dorfpfarrer aus einem fernen Land ist es ein außerordentliches Erlebnis, meint Don Diego, ein Helfer des Sakristans. Auch er hat gerade eine Messe zelebriert, hat das violette Zeremonialgewand ausgezogen und auf den Tisch der Sakristei gelegt, einen weißen Chorrock hält er noch auf dem Arm. »Hier spürt man«, sagt er, »die Kirche im Großen.«
    Im Kleinen, im Römisch-Lokalen hat sie nicht weniger exotisches Kolorit. Rund dreitausendsechshundert Menschen aus aller Welt arbeiten bei den Behörden des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaates, dreizehnhundert von ihnen sind Priester, die übrigen zweitausenddreihundert sind Laien, einige Hundert davon Römer, die jene Alltagsdinge besorgen, die auch diese besondere Gemeinschaft hinter ihren hohen Mauern nötig hat: Müllabfuhr, Heizung, Fuhrpark, Polizei und

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