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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rasso Knoller
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taucht den unter uns liegenden Sund in mildes Morgenlicht. Selbst das Containerschiff, das auf die Brücke zusteuert, sieht aus wie gemalt. An Tagen wie diesem ist die Öresundbro nicht nur Verkehrsweg, sondern bietet auch atemberaubende Ausblicke. Allerdings nur dem Beifahrer. Der Fahrer hat wenig von der Schönheit; er kann hier nirgends anhalten. Christer will das auch nicht. Er hat dieses Bild schon x-mal gesehen; meine Begeisterung scheint von ihm abzutropfen. Schweigend sitzt er hinter dem Lenkrad, hat wohl ganz andere Dinge im Kopf als ich. Vielleicht denkt er an die vor ihm liegende Mathematikstunde, auf die er sich wegen unseres Bummels durch Malmös Kneipen am Vorabend nicht vorbereitet hat. Viel Zeit bleibt ihm nicht für seine Gedanken. Schon fünfundvierzig Minuten, nachdem wir seine Wohnung in Malmö verlassen haben, stehen wir vor seiner Schule in Kopenhagen. Der schwierigste Teil der Fahrt beginnt aber noch: Parkplatzsuche in der dänischen Hauptstadt. Alle Verkehrsprobleme kann auch die Brücke nicht lösen.

Lage ist alles
Neunundfünfzig Steine der Wikinger geben Rätsel auf
    Der Blick auf die Statistik hatte etwas anderes versprochen. Im Vergleich zu Deutschland soll es in Schonen nämlich ausgesprochen wenig regnen. Während in Hamburg siebenhundertsiebzig Millimeter Niederschlag pro Jahr fallen, in Köln achthundert und in München tausend, sind es in Malmö lediglich fünfhundertsechzig. Die einzige deutsche Großstadt, die da in etwa mithalten kann, ist Berlin.
    Weil ich auf die Statistik vertraute und mir ein Fahrrad für meine Erkundungstour ausgeliehen habe, bin ich im Nieselregen unterwegs. Einsam radle ich über die schonischen Nebenstraßen dahin. Autos? Fehlanzeige. Dafür Windräder am Horizont und schnuckelige rot gestrichene Häuser am Wegesrand. Jedes zweite beherbergt eine Galerie – es scheint, als würden in Südschweden nur zwei Berufe ausgeübt: der des Bauern und der des Künstlers. Hier scheint fast jeder zu malen, zu zeichnen oder zu töpfern. Ob die Schweden wohl ein besonders kreatives Volk sind?
    Aus solchen Gedanken werde ich gerissen, als plötzlich Gegenverkehr auftaucht. Nein, kein Auto oder Motorrad. Sondern ein Fahrrad, auf dem aufrecht ein älterer Herr thront. Fein gekleidet, aber mit Schirmmütze auf dem Kopf. »Skånska Cement« steht darauf – Werbung für Zement aus Schonen. So richtig passt die Kappe nicht zu seinem sonstigen Outfit. Als Regenschutz erfüllt sie aber durchaus ihren Zweck. »Hej«, grüßt er mich mit breitem Lächeln – immer freundlich, diese Schweden. Der nervigste Nieselregen kann ihnen nicht die Laune verderben. Ich grüße zurück. »Hej«, sage ich und lasse zur Sicherheit noch ein zweites »hej« folgen. So wie es alle Schweden tun, wenn sie besonders nett sein wollen.
    Ich bin in Richtung Ales stenar unterwegs. Über tausend Jahre ist es her, dass die Wikinger dort ein Monument aus neunundfünfzig Steinen errichteten, platziert in Form eines Schiffes. »Schiffssetzung« nennt das die Wissenschaft. Das steinerne Wikingerschiff hat gigantische Ausmaße: Stolze siebenundsechzig Meter misst es vom ersten bis zum letzten Stein. Neunzehn Meter sind es in der Breite. Und jeder Stein wiegt zwischen fünfhundert und achtzehnhundert Kilo.
    Selbst die Wikinger, die in Geschichtsbüchern gerne als kraftstrotzende und kriegerische Muskelmänner beschrieben werden, dürften solche Massen ins Schwitzen gebracht haben. Die meisten der Steine kamen zwar aus der unmittelbaren Umgebung, einige aber wurden aus zwanzig bis dreißig Kilometer Entfernung herangeschleppt. Man nimmt an, dass die Wikinger den Winter nutzten – und die Steinkolosse übers Eis hierher zogen.
    Warum die Wikinger Ales stenar bauten, weiß niemand. Auch die Wissenschaftler tappen im Dunkeln und können bislang nur Theorien anbieten. Die einen halten Schiffssetzungen für Kultplätze, die anderen für Gräber – Knochen fand man hier aber keine. Dritte wiederum interpretieren den Ort als einen riesigen Sonnenkalender. Wer immer auch Recht hat: Heute ist Ales stenar die meistbesuchte Sehenswürdigkeit im Süden Schwedens. Dreihunderttausend Menschen zieht es jährlich hierher, und trotzdem ist es ein Ort geblieben, der Geheimnisse birgt und Rätsel aufgibt.
    »Die Wikinger kommen« war ein Ruf, der die Menschen erschaudern ließ. Wer ihn hörte, musste um Hab und Gut und auch sein Leben fürchten. Seit dem Überfall auf das englische Kloster Lindisfarne im Jahre 793 waren die

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