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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rasso Knoller
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zur Bühne für ein grandioses Spektakel. Diese Aufführungen finden häufig statt. In der Zeit zwischen Oktober und April flirren nahezu täglich die Polarlichter über den Himmel. Für Physiker sind sie nur elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwindes. Die Finnen nennen das Nordlicht poetisch »Fuchsschweif«, und nicht ohne Stolz stellt Erkki fest: »Im Winter ist Lappland ein Paradies.« Ob die Dunkelheit, Mondschein hin und Nordlicht her, nicht depressiv mache, frage ich ihn. Erkki ist ein ruhiger Mensch, er antwortet immer bedächtig und ohne seine Stimme zu erheben. Sein Blick verrät aber, dass ihn der Nordlandbesucher aus dem Süden mit seinen dummen Fragen nervt und er sein Bier lieber ungestört im ersten Sonnenlicht des Jahres genießen würde. Das Thermometer zeigt minus zwanzig Grad, daran kann auch die eben nach langem Schlaf erwachte Sonne nichts ändern. Aber ein kühles Bier auf der Terrasse geht bei Erkki immer. »Mit der Dunkelheit haben nur die Finnen Probleme«, antwortet er schließlich selbstironisch, denn sein Name und Akzent lassen ihn unschwer als finnischen Einwanderer erkennen. Recht hat Erkki aber trotzdem. In der traurigen Statistik der Selbstmorde liegt Finnland zusammen mit den baltischen Staaten und Ungarn europaweit an der Spitze. Unangefochten die Nummer eins sind aber die »Winterfinnen«, denn nirgendwo werden so viele Männer des Lebens überdrüssig wie in Finnland in der Zeit zwischen Oktober und März. Finnische Frauen überstehen die Winterdepression hingegen ebenso unbeschadet wie die Schweden.
    Ohnehin ist Lappland keineswegs ein Land der Dunkelheit. Ganz im Gegenteil. Vom 27. Mai bis 14. Juli gefällt es der Sonne in Kiruna so gut, dass sie gar nicht mehr untergehen mag. Dann schafft sie dieses unglaubliche Licht. Sanft und weich, als würde sie die Dinge nicht einfach beleuchten, sondern liebevoll umarmen.
    Im lappländischen Sommer ist es so hell, dass man problemlos um Mitternacht Zeitung lesen kann. Aber wer würde das wollen? Kann man sich stattdessen doch im fantastischen Blau des nächtlichen Himmels verlieren. Eine ganz besondere Farbe, die sonst allenfalls Verliebte in den Augen ihrer Angebeteten entdecken.
    Der Sommer zaubert ein Lächeln auf alle Gesichter und wirkt auf die Nordlandbewohner wie ein Aufputschmittel. Wie die Sonne, die kaum noch untergeht, machen auch die Menschen Überstunden. Geschlafen wird nur in Ausnahmefällen. Als trügen sie einen Solar-Akku in sich, den sie in den Sommermonaten aufladen müssen, stürzen sie aus ihren Häusern und reißen sich die Kleider vom Leib. Das mag jetzt übertrieben klingen, aber ab Anfang Juni findet man keinen Schweden mit langen Ärmeln am Hemd und keine Schwedin, die Socken trägt. Egal wie das Wetter ist, jetzt wird Haut gezeigt. Und es geht hinaus in die Natur. Die einen sitzen vor ihren Sommerhäuschen am See, die anderen wandern, angeln oder liegen am Strand.
    Im nordischen Sommer lebt jeder eine Spur intensiver als während der übrigen Zeit, und entsprechend ist Mittsommer auch das wichtigste Fest des Jahres.
    Ein schwedischer Freund meinte einmal, »Mittsommer ist dann, wenn der Tag später schlafen geht als du.« Dieser Freund war aber nicht Erkki aus Kiruna, denn der hat noch jeden Tag in die Knie gezwungen.
    Am Morgen des Mittsommertags werden Haus und Hof mit Blumen und Zweigen geschmückt. Auf dem Land stellt man die majstång , einen reich geschmückten, dünnen Baumstamm, auf. Dieser hat, obwohl er ganz ähnlich aussieht, nichts mit unserem Maibaum gemeinsam. Der Name kommt auch nicht vom Monat Mai, sondern von dem schwedischen Wort majen , was so viel bedeutet wie »herumbinden«. Nichts anderes macht man nämlich mit den Zweigen und Blumen, mit denen die majstång geschmückt wird.
    Am Abend des Mittsommertags wird zum Tanz aufgespielt, und auf einem traditionellen Fest fassen sich dann alle an den Händen und tanzen gemeinsam um den geschmückten Baum.
    Früher war die Mittsommernacht besonders für ledige Mädchen sehr wichtig. Denn die konnten dann herausfinden, wen sie später einmal heiraten würden. Sie mussten auf neun verschiedenen Wiesen neun verschiedene Blumen pflücken und das Sträußchen dann unter ihr Kopfkissen legen. Am nächsten Morgen, wenn sie nach dem langen Fest erschöpft einschliefen, erschien ihnen ihr Traumprinz im Schlaf. Auch heutzutage begegnet vielen Schwedinnen an Mittsommer ihr Traumprinz, allerdings in der Realität. An diesem Tag werden, vermutlich mit

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