Lesereise Sizilien
Zeit Parlamentsabgeordneter ist, bleibt sein Medium, um sich zu äußern oder um Einfluss zu nehmen, die Literatur: In rund vierzig Jahren schreibt er eine große Anzahl von Kriminalromanen mit deutlich politischem Hintergrund, daneben Erzählungen, Essays, auch Gedichte. Der Roman wird bei ihm zum Instrument der Kritik all dessen, was ein Land zerstört. Eine Reihe von Preisen erhält er für sein Werk, darunter den Premio Crotone (1962) und den Prix Seguier (1975). Am 20. November 1989 stirbt er nach längerem Krebsleiden in Palermo. Sein letzter Roman »Ein einfacher Fall« unterscheidet sich von den anderen. Er beginnt mit einem Dürrenmatt-Zitat: »Ich will noch einmal gewissenhaft die Chancen ausloten, die der Justiz vielleicht doch noch bleiben.« Er endet mit der Andeutung einer Hoffnung und den Worten »singend fuhr er heimwärts«. Und noch etwas ist anders: »Una storia semplice«, ein einfacher Fall, kommt am Tag seines Todes in Italien in die Buchläden. »Die Sizilianer haben eine fast instinktive Furcht vor dem Leben, weshalb sie sich verschließen, sich abkapseln und mit wenigem bescheiden, wenn es ihnen Sicherheit gibt. Voll Argwohn bemerken sie den Unterschied zwischen ihrem verschlossenen Wesen und der offenen, sonnenbeschienenen Natur ringsum und verschließen sich desto mehr, denn diesem Offenen, das sie von allen Seiten umgibt, dem Meer, das sie isoliert, abschneidet und vereinzelt, misstrauen sie. Und so ist und bleibt jeder eine Insel für sich und genießt – recht und schlecht, wenn es ihm vergönnt ist – sein bisschen Freude für sich allein; und allein erduldet er, schweigsam, ohne Trost zu suchen, seinen oft verzweifelten Schmerz. Aber manche entrinnen dem auch …«
Sieben feurige Italienerinnen
Inseln am Rande der Insel
Er beginnt ganz harmlos. Brodelt ein bisschen, pafft ein wenig, gluckst, wirft Blasen. Doch dann schleudert er seine grell leuchtenden Feuerfontänen mit aller Gewalt in den Himmel. Rot glühende Lavabrocken taumeln in Sekundenschnelle herab und versinken zischend im kristallklaren Wasser. Der Stromboli ist der kleine Bruder des Ätna. Der harmlosere und der hübschere, denn er tobt sich mitten im Meer aus. Seit Menschengedenken spuckt er ein- bis zweimal in der Stunde glühende Steine und weißlich graue Dampfwolken in die Luft. Den Seefahrern zeigte sein Rauch früher die Windrichtung an. »Leuchtturm des Tyrrhenischen Meeres«, wurde der Feuerberg genannt. Wir sitzen in sicherer Entfernung in einem Fischerkahn und verfolgen das atemberaubende Schauspiel. Cecilia, die Rechtsanwältin, hat mir diesen Ausflug als »besten, den man von Sizilien aus machen kann«, empfohlen und ich bin ihrem Rat gefolgt.
Das Boot schaukelt leicht. Wellen klatschen sanft an die Außenseite. Giuseppe, unser Fischer, reicht jedem ein Gläschen Malvasia, den lieblichen Inselwein, der schon Julius Caesar mundete und dessen Trauben auf Lavaerde wachsen. In der Luft ein betörender Geruch. Eine Mischung aus dem süßen Duft der Macchia und Rauch. Ganz langsam taucht die Sonne wie ein glühender Feuerball ins glitzernde Meer, hinterlässt einen zartlila Streifen am Horizont. Wir sitzen einfach nur da und staunen, versuchen, diesen Moment einzufangen.
Wir schippern weiter nach Lipari. Von Weitem strahlen uns die blendend weißen Bimssteinbrüche entgegen wie Gletscherberge. Bimsstein zählt zu den Hauptwirtschaftsfaktoren der Inseln. Auf der Piazza Municipio in Lipari-Stadt, einem hübschen Örtchen mit hellen Häusern, schlemmen wir Auberginenrouladen, frischen Schwertfisch und probieren die duftenden Kapern, die auf der Insel Salina, der zweitgrößten und fruchtbarsten Äolischen Insel, wachsen. Ihre Blüten werden die Orchideen der Liparischen Inseln genannt, und so riechen sie auch. Salina, Stromboli und Lipari gehören zusammen mit Alicudi, Filicudi, Vulcano und Panarea zu den sieben Liparischen Inseln nördlich von Sizilien, zwischen zwanzig und vierzig Kilometer von der Küste entfernt, unberührt und romantisch, umspült von kristallklarem Wasser. Ein echter Geheimtipp im Mittelmeer. Noch. Wie ein Perlenkollier hängen sie im Tyrrhenischen Meer. Alle Inseln sind die Gipfel hoher Vulkane, die aus dem Meer hervorragen und sich unter dem Meeresspiegel Tausende Meter fortsetzen. Sie sind Italiens schönste Inseln. So schön, dass sie sogar zwei Namen haben: Äolische Inseln werden sie auch genannt – der Legende nach zählen sie zum Reich des Windgottes Aiolos.
Seine sanft-warmen
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