Lesereise Sizilien
Brisen machen den Archipel zu einem Dorado für Segler und Surfer, alle Inseln haben herrliche Tauchgründe. Über fünftausend Jahre ist es her, dass erstmals Menschen die Eilande betraten. Sie kamen wegen des begehrten Obsidians, ein hartes, unzerbrechliches vulkanisches Glas, aus dem Waffen und Werkzeuge hergestellt wurden. Das Archäologie-Museum auf Lipari erzählt davon. Das Flair längst vergangener Zeiten spüren wir auch auf Alicudi, der Insel des Heidekrauts. Im Frühjahr überzieht ein riesiger rosa Teppich die Lavaoberfläche. Hier, fernab vom Touristentrubel, ist die Zeit stehen geblieben. In den rosa und weiß getünchten Fischerhäuschen leben nur noch neunzig Menschen. Lasten werden noch auf Maultieren hin und her transportiert, einmal in der Woche kommt ein Linienschiff vorbei und bringt das Nötigste.
Wir setzen unser Inselhüpfen fort. Fahren nach Vulcano, direkt zur Schlammschlacht. Dicht am Hafen entspringt eine Schlammquelle, formt eine warme Schlammpfütze. Schon die Römer erfrischten darin ihre müden Glieder. Nach dieser Insel übrigens heißen alle Feuerberge der Welt »Vulkane«. Vulcano selbst ist eine Touristenattraktion, am Hafen von Porto di Levante reihen sich Souvenirläden, Boutiquen und Imbissstände aneinander, der gran cratere ist ein beliebtes Ausflugsziel. An den leichten Geruch fauler Eier, der wegen des Schwefels ständig in der Luft hängt, gewöhnt man sich auch mit der Zeit.
Panarea ist die kleinste und malerischste im Bunde: weiße Villen, von Olivenbäumen umrahmt und von hohen Mauern geschützt, verträumte, blumengeschmückte Gassen. Nachts herrscht Fahrverbot für alle. Obwohl nur winzig klein, ist es das Lieblings-Eiland der Reichen und Schönen vom italienischen Festland. Sie leisten sich hier ihre Wochenendhäuschen. Es gibt eine einzige Diskothek, die Eintrittspreise sind astronomisch. Man bleibt lieber unter sich. Filicudi, unsere nächste Station, scheint Lichtjahre von Verkehr, Lärm und Zivilisation entfernt. Die einzige Straße ist ein Saumpfad. Der größte Teil der Insel ist unbewohnt, es gibt nur ein Hotel – und die herzliche Gastfreundschaft der Fischerfamilien. Giuseppes Familie lebt hier. Mit gestenreichem »benvenuti« begrüßen sie uns, verwöhnen uns mit frisch gefangenen Sardinen.
Mit wohlig gefüllten Bäuchen kehren wir zurück nach Ginostra auf Stromboli mit dem kleinsten Hafen der Welt. Ehrgeizige Inselplaner wollen aus ihm einen hochmodernen Jachthafen machen. Anfang der fünfziger Jahre begann dank Roberto Rossellinis Film »Stromboli« die touristische Karriere des Fünfhundert-Seelen-Eilands. Das Haus, in dem Ingrid Bergmann damals wohnte, kann man noch besichtigen. An einem der traumhaften Badestrände aus puderweichem dunklem Lavasand lassen wir uns von der Abendsonne die Füße kitzeln. Und hinter uns, vor dem Königsblau des Götterhimmels, grüßt fauchend der Vulkan.
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