Lesereise Sizilien
militärische Organisation der Mafia. Er bemühte sich, Verbindungen des organisierten Verbrechens zur Politik aufzudecken, prozessierte gegen Giulio Andreotti und Bettino Craxi. Sein Fernziel war, die Mafia finanziell zu kontrollieren. So trat er auch vehement gegen die Anonymität beispielsweise der deutschen Sparkonten ein: Nur der militärische Arm der Mafia sitze in Sizilien, denn dort würden die Banken mittlerweile gut kontrolliert, aber das Geld könne überall auf der Welt liegen, denn »Justiz und Polizei kontrollieren nicht jeden Tag die Wiener Banken, die französischen und deutschen.« Er erkannte: Es ist ein globales Problem.
Als Mitglied der christdemokratischen Partei und späterer Erzfeind des früheren Ministerpräsidenten Andreotti, des »Paten«, folgten Anschläge auf ihn. Zu seinem Schutz lebte er wie ein Gefangener in geheimen Polizeibunkern und an ständig wechselnden Orten. Seine Vorgänger mit ähnlichen Ambitionen zur Veränderung wurden größtenteils ermordet. Einige Wortführer innerhalb der sizilianischen Mafia wollten Orlando nach den Untersuchungsrichtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zur nächsten »prominenten Leiche« machen. Den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden zufolge stand er ganz oben auf der Todesliste. Zwischenzeitlich auch Abgeordneter in Rom und des Europäischen Parlaments, konnte er während seines Kampfes um die Freiheit von Palermo und Sizilien selbst nicht frei leben. Stark bewacht musste er weiter rund um die Uhr mit einem Mordanschlag rechnen.
Über all seine Erlebnisse hat er 2002 ein Buch geschrieben. »Ich sollte der Nächste sein« hieß es und war ein Bestseller. La Rete machte Furore, damit schuf Orlando seine eigene politische Bewegung und hatte überragenden Erfolg. Die in La Rete versammelten und andere Menschen mit Zivilcourage schafften es tatsächlich, die Hoheit über das Leben der Menschen aus den verbrecherischen Händen der Mafia in eine demokratische Verwaltung überzuführen. Ob die Wiederbelebung eines seit Jahrzehnten brachliegenden Theaters, die kontinuierliche Verbesserung des Schulsystems, die Restauration einer Kirche oder die Anlage neuer – eigentlich alter – Parkanlagen, immer ging es um Zurückeroberung des öffentlichen Lebens weg von der bedrückenden und alles beherrschenden Korruption. Bei den Parlamentswahlen 1992 erhielt La Rete rund ein Viertel der Stimmen Palermos. 1994 wurde Orlando mit großer Mehrheit zum Bürgermeister der Stadt gewählt. In seiner Zeit als Bürgermeister von Palermo gelang es Orlando, Palermo, eine der geschichtsträchtigsten und schönsten Städte Europas, zu einer modernen Kulturmetropole zu verwandeln. Am 22. März 1999 wurde ihm in Weimar die Goethe-Medaille verliehen. In der Begründung hieß es: »Unter seiner regierenden Hand ist die Altstadt, in der sich die kulturellen Wege und Strömungen von Orient und Okzident in noch täglich sicht- und erlebbarer Weise kreuzen, wieder zu einem lebenssprühenden Zentrum geworden.« Und er ist noch lange nicht müde: Im Dezember 1999 gründete er das »Sicilian Renaissance Institute«, dessen Aufgabe darin besteht, Illegalität und Gewalt mit Kultur und politischem Know-how zu bekämpfen. Und so ganz nebenbei spielt der charismatische Lebemann auch noch in Filmen kleine Nebenrollen. In Wolf Gaudlitz’ Film »Palermo flüstert« erschien er fast als eine himmlische Figur. Er verkörpert die Rolle des Uhrmachers, der keine Zeit kennt. Weder stirbt dieser Uhrmacher noch dreht er an der Zeit. Er entschärft im Grunde die Bombe, das Pulverfass, auf dem wir alle sitzen …
Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2007 bewarb sich Orlando neuerlich um das Amt des Bürgermeisters von Palermo und unterlag nur knapp dem Kandidaten des Mitte-Rechts-Bündnisses. Orlandos Anfechtung des Ergebnisses und sein Vorwurf des Wahlbetrugs blieben erfolglos.
Werden auch Sie zum Widerstandskämpfer! Schaufeln Sie sich die Teller voll! Mit jeder Gabel »Pasta Antimafia« beteiligen Sie sich aktiv am Kampf gegen die Mafia. Der Weizen für die Nudelart wird auf früheren Gütern von Mafia-Bossen angebaut, die in den letzten Jahren vom Staat beschlagnahmt wurden. Arbeitslose Jugendliche gründeten die Agrargenossenschaft »Placido Rizzotto Libera Terra« und bewirtschaften seit Ende 2001 die Felder rund um die sizilianischen Gemeinden Altofonte, Camporeale, Corleone, Monreale, Piana degli Albanesi, Roccamena, San Cipirello und San Giuseppe Jato.
»Diese Nudeln sind mehr als nur
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