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Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Titel: Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bengel
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geworfen, erst themseaufwärts brachte man sie auf das feste Land. Doch Nelson hatte für die Ewigkeit geplant; er wünschte sich zurück nach London, gleich, ob lebendig oder tot, und Captain Hardy brachte ihn in einem Fass voll Brandy wohlbehalten in die Heimat, wo er aufgebahrt in der Kapelle des Royal Navy Hospitals lag, ehe er sein schwarzes Marmorgrab in der St. Paul’s Cathedral fand, in einem Sarg, gezimmert aus dem Mast von Frankreichs Flaggschiff »L’Orient«.
    Die spanische Armada 1588 mochten noch die Fügung Gottes und der Wind geschlagen haben. Trafalgar war ein Sieg der Kriegskunst auf dem Wasser. Was dazu nötig war, das kann man in den Docks von Portsmouth heute noch besuchen. Ihr Herzstück ist seit 1994 der Historic Dockyard mit dem umgebauten Boathouse No. 7 von 1875: Besucherzentrum, Themenpark von Englands maritimer Größe und einzigartige Gelegenheit, im Royal Naval Museum und am Beispiel dreier alter Schiffe den Aufstieg Großbritanniens zur Weltmacht zu erfahren – und zugleich auch die Geschichte dieser Stadt. Die Römer hatten seit 286 nach Christus Portchester Castle zur Marinebasis ausgebaut. Hier, im Schutz der Isle of Wight, ließ König Alfred seine Flotte bauen; unter Richard Löwenherz entstand die Stadt mit Werft und Marktrecht, seit 1495 gab es hier das erste Trockendock der Welt, und unter Heinrich VIII. die ersten Schiffe, die nur für einen Zweck gezimmert waren, für den Krieg.
    Eins von ihnen war die »Mary Rose« von 1511, König Heinrichs Flaggschiff. Sie sank vor seinen Augen mit siebenhundert Mann im Juli 1545, als sie eben auslief in den Kampf – auch damals gegen die Franzosen. Vierhundertsiebenunddreißig Jahre später, im Oktober 1982, holte man, was von ihr übrig war, aus ihrem feuchten Grab. Jetzt liegt ihr sterbliches Gerippe in einem fein gesprühten Nebel aus Wasser und Glykol in einer Halle neben Nelsons »Victory«, am selben Ort, wo man sie einst gezimmert hatte. Sie ist das zweite der historic ships in Portsmouths altem Dockyard.
    Das dritte, jüngste liegt am Kai, als habe es nur eben angelegt und sei im Übrigen noch immer unterwegs im Dienst der Königin: »Her Majesty’s Ship Warrior« von 1860, »die schwarze Schlange gegen die Kaninchen im Kanal«, wie das Oberste aller Kaninchen, Napoleon III., die Force de frappe der Feinde damals nannte. Sie war das erste gepanzerte Schlachtschiff der Welt, das schwerste Kriegsgerät, das überhaupt auf Wasser fahren konnte, mit fünfzehn Segeln oder auch mit Motorkraft, und übertraf mit hundertsiebenundzwanzig Metern Länge das bis dahin längste Kriegsschiff um ein Viertel.
    1979 hat man ihren Rumpf im Ölhafen von Milford Haven buchstäblich aus dem Dreck gezogen und dann acht Jahre lang, für acht Millionen Pfund, restauriert, ehe man sie 1987 in ihren Heimathafen Portsmouth zog. Jetzt liegt sie am Victory Gate, als wäre die ganze Crew, bis auf eine Handvoll Wachen, eben mal an Land gegangen, siebenhundertfünf Mann an Besatzung vom Smutje bis zum Kapitän. Gelegenheit für uns, den schwarzen Stolz von Queen Victoria in Augenschein zu nehmen.
    Den Utilitarismus des 19. Jahrhunderts trug die »Warrior« (»Krieger«) in ihrem Namen und mit der Nasenspitze vorneweg: ein weißer Krieger unterm Bugspriet diente als Gallionsfigur. Da war kein Platz mehr für galante Höflichkeiten gegenüber irgendeiner »Mary Rose« oder die Mantel-und-Degen-Romantik von Nelsons schmucker »Victory«. Nur in den Räumen für die Offiziere finden sich ein paar vergoldete Leisten auf der weißen Holzverkleidung, daneben aber gleich die schwarzen Panzerplatten, auf denen die Nieten wie Pickel stehen.
    Abgesehen von den drehbaren Geschützen für zylindrische Geschosse im Heck und im Bug gab es auf der Warrior nur ein Geschützdeck für sechsundzwanzig herkömmliche Kanonen, die noch von vorn mit Rundgeschossen zu bestücken waren, sowie acht der modernen Hinterladergeschütze. Abwechselnd hängen dazwischen die Sitz- und Tischgelegenheiten für die Mannschaften in sechsunddreißig Messen. Die Außenwände dieser Meeres-Zitadelle waren mehr als einen halben Meter stark und im Sandwichverfahren aus gewalztem Eisen von elf Zentimentern Stärke, sechsundvierzig Zentimetern Teakholz und nochmals einer fingerstarken Lage Eisen aufgebaut. Zehn Kessel mit jeweils vier Feuerungen trieben eine Dampfmaschine an, bei Vollbesegelung und Volldampf brachte es die »Warrior« auf siebzehn Knoten.
    Sie hätte sicher jedem Angriff widerstanden

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