Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End
Basket and Hurdle Centre an der Straße nach Curload ist ein traditionsreicher Famlienbetrieb.
Im Landrover nimmt Nigel Hector uns mit hinaus auf die Felder, wo wir zuvor vergebens einen Weg nach Muchelney vermutet hatten. Hier liegen, sorgsam parzelliert, die withy beds , die kultivierten Weidenbeete, in denen Jahr für Jahr die Weide wächst und Jahr für Jahr geerntet wird. Im Frühjahr sehen die Karrees mit ihren Setzlingen wie Spargelfelder aus, der Boden ist dann schwarz und rissig, und nichts lässt glauben, dass hier Bäume wachsen könnten, wenn man sie nur ließe. Doch bis zum Frühherbst ändert sich das Bild beinahe täglich. Die Weide, Salix trianda, ist die am schnellsten wachsende Pflanze der nördlichen Hemisphäre, sie legt an manchen Tagen zwei Inch – etwas mehr als fünf Zentimeter – zu. Im Herbst, wenn sie geerntet werden, sind die Ruten häufig länger als zwei Meter, und schon im nächsten Frühjahr treibt derselbe Setzling neu aus, bis zu fünfundzwanzig Jahre lang.
Wenn das erste Grün sich blicken lässt, im März und im April, verwandeln sich die withy beds in Weideflächen: Die Farmer aus der Nachbarschaft treiben ihr Vieh auf die bewirtschafteten Felder und ihre Schafe oder Rinder fressen alles kahl, bis auch der letzte Nachtfrost überstanden ist. Einmal ein paar Minusgrade könnten die empfindlichen Spitzen der Ruten zerstören, und die Weiden hätten oben Gabeln oder dürre Besen – beides kann ein guter Korbmacher nicht brauchen.
Dann werden sie den Sommer über gehegt, von Hand gejätet und auf Parasiten überprüft, im November wird geerntet, meist immer noch von Hand, mit einer Sichel dicht am Boden. Früher holte man die Ernte mit den rowing withies , flachen Ruderkähnen, auf den Hof, heute mit Traktoren. Manche Felder lässt man stehen bis zum nächsten Herbst; hier wachsen die Rippen für größeres Flechtwerk. Nigel Hector lacht aus vollem Hals: Früher kamen bei Gelegenheit Zigeuner, stahlen den Bauern bündelweise die zweijährigen Ruten und verkauften sie ihnen später an der Vordertür als Wäscheklammern. Er hat es selbst schon erlebt, wovon er uns erzählt.
Heute sind die Wäscheklammern bunt, aus Plastik – wie das meiste, für das man früher Korbwaren nahm: Denn leicht zu sein und doch zugleich stabil, das schafften vor dem Kunststoff nur die Körbe. Alle Lieferanten brauchten Körbe, Körbe brauchte man zur Briefsortierung bei der Post, und Körbe waren auch die Schutzbehälter für die Cider -Flaschen Somersets. Aus Korb geflochten waren Damensättel, Rollstühle und Kinderwiegen, und die fliegenden Kisten der Royal Air Force hatten Sitze aus Korb.
Dann wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Kunststoff fashionable , und ob die Kinks auch spöttisch ihren »Plastic Man« besangen: Gegen den Triumph des Plastiks war kein Kraut gewachsen – und schon lange keine Weide. Der Weidenanbau ging zurück, in Somerset wie überall, und vielfach mussten die Betriebe schließen. Doch die zwei in Stoke St. Gregory beweisen, wie man mit der leichten Ware überleben konnte, und jeder zeigt es uns auf seine Weise.
Nigel Hector produziert vor allem hurdles , geflochtene dekorative Zäune für die besseren Gärten. Jil Sander hat bei ihm gekauft, Peter de Savary, der englische Millionär und Paradiesvogel, und die hundertachtzig Flechtzäune draußen auf dem Hof sind eine Lieferung für ein gehobenes Versandhaus in den USA . Daneben gibt es Rankwerk für die Pflanzen, Bögen für den Rosengarten, Möbel. Alles aus den unbearbeiteten Ruten draußen von den withy beds . Das ist kein Boom, sagt Nigel, und er lacht, das ist schon eine Explosion. Sieben Korbflechter hat er dafür angestellt, und einer zeigt uns seine Handwerkskunst im Dämmerlicht der Halle. In einen festen, großen Rahmen sind die fingerdicken zweijährigen Stäbe eingespannt, zwischen denen dann behände das dünne Flechtwerk büschelweise eingezogen wird. Ist eine Lage fertig, wird sie mit der Kante der Hand und bemessenen Schlägen verdichtet, und dann und wann wird alles von der Seite überprüft, ob es noch lotrecht ist und eben. Fertig ist das Flechtwerk.
»Für einen Zaun aus Latten muss man einen Baum zersägen«, sagt Nigel mit Betonung. »Der ist dann erstmal weg für lange Zeit.« Die Weiden, soll das heißen, wachsen immer wieder nach, ökologisch unbedenklich, biologisch abbaubar. Ihr höchster Daseinszweck ist offenbar, geflochten zu werden. Und am liebsten in Hectors Betrieb und zu hurdles
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