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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Menschen auf der Straße waren, schien es von keinem wahrgenommen zu werden. Matildas Beschützerinstinkt rührte sich, und sie bahnte sich einen Weg durch die Menge. Doch plötzlich ließ das Geräusch von Hufen und Rädern auf dem Straßenpflaster Matilda den Kopf wenden. Zu ihrem Entsetzen eilte eine von vier Pferden gezogene Kutsche die Straße entlang. Matilda drehte sich zu dem Kind um und sah, dass es die Bordsteinkante erreicht und dort eine Pause eingelegt hatte. Es hatte die Pferde auch entdeckt und klatschte beim Anblick der sich nahenden Kutsche aufgeregt in die Hände. Um die Gefahr zu erkennen, war es noch viel zu klein, und es war mehr als wahrscheinlich, dass es auf die Straße springen würde. Matilda ließ ihren Korb fallen, stieß eine Warnung aus und stürzte vorwärts, verzweifelt Menschen aus ihrem Weg drängend. Die Pferde waren bereits so nah, dass Matilda fast ihren Geruch wahrnahm und ihre Wärme spürte. Dann sprang zu ihrem Entsetzen das kleine Mädchen auf die Straße, direkt auf die Kutsche zu. Matilda dachte nicht eine Sekunde an ihre eigene Sicherheit. Sie lief geradewegs auf die Straße und fasste das Mädchen um die Taille. Hinter sich hörte sie ein aufgeregtes Wiehern, aber ihre Gedanken konzentrierten sich nur auf das Kind. Ein grausamer Stoß auf den Rücken katapultierte sie nach vorne, und sie ließ das Kind auf den Bürgersteig sinken.
    Ein starker Ammoniakgeruch war das Erste, das wieder in Matildas Bewusstsein drang, und sie schreckte instinktiv zurück.
    »Kannst du mich hören?«, erklang eine männliche Stimme in ihrer Nähe. Als sie endlich wieder Klarheit erlangt hatte, bemerkte sie, dass sie auf dem Boden lag und ein Mann ihren Kopf stützte, während er ihr ein Riechfläschchen vor die Nase hielt. Sie war verwirrt und dachte, sie sei vor Hunger bewusstlos geworden und die Rettung des Kindes nur ein Traum gewesen.
    »Natürlich kann ich Sie hören«, antwortete sie. »Und hören Sie endlich auf, mir dieses Zeug vor die Nase zu halten.«
    Jemand lachte, und ihr wurde plötzlich klar, dass sich eine große Menge um sie herum versammelt hatte und sie anstarrte. Der Mann, der ihren Kopf stützte, hatte lockiges Haar und trug den weißen Kragen eines Pfarrers der Anglikanischen Kirche. Er war noch jung für sein Amt und hatte wehmütige, dunkle Augen.
    »Wie heißt du?«, fragte er.
    »Matilda Jennings«, erwiderte sie und kämpfte sich mühsam in eine sitzende Position. »Haben Sie ein kleines Mädchen gesehen?«
    »Ja, habe ich«, sagte er. »Dank deiner Hilfe ist es jetzt sicher bei seiner Mutter.«
    Matilda war erleichtert, dass sie sich nichts eingebildet hatte. »Ihre Mutter verdient eine Tracht Prügel dafür, dass sie es fortlaufen ließ«, meinte sie entrüstet. »Wo ist sie? Ich werde ihr mal was erzählen.«
    Das schallende Gelächter der Menge um sie herum brachte Matilda noch mehr auf. »Worüber lachen sie?«, fragte sie. »Das ist nicht komisch. Das kleine Ding hätte totgetrampelt werden können.«
    »Ich denke, sie lachen, weil du nicht nur unverletzt, sondern auch beherzt genug bist, deine Meinung offen zu sagen«, erklärte der Mann mit einem schwachen Lächeln. »Was du getan hast, war außergewöhnlich mutig. Lass mich dir jetzt aufhelfen.«
    Als er sie bei den Händen fasste, um ihr beim Aufstehen zu helfen, zuckte Matilda vor Schmerz zusammen. Jemand in der Menge rief, sie brauche einen Arzt. Matilda war es gewohnt, ihren Verstand zum Überleben zu benutzen. Manchmal täuschte sie an einem kalten Tag zitternd vor, dass sie erbärmlich fror, um Mitleid zu erregen und auf diese Weise mehr Blumen zu verkaufen. Des Öfteren blickte sie auch mit sehnsuchtsvollem hungrigen Blick auf das Brot beim Bäcker, bis man ihr welches reichte. Sie wusste intuitiv, dass sie diese Situation zu ihrem Vorteil nutzen konnte.
    »Mein Rücken, mein Rücken«, rief sie aus und verzerrte ihr Gesicht zu einer übertriebenen Grimasse der Qual. »Er tut so weh! Was ist damit passiert?«
    Eine Frau bewegte sich auf Matilda zu. Sie war rundlich und sah sehr freundlich aus. »Die Pferdehufe haben dich an der Schulter verletzt«, erklärte sie. »Dein Kleid ist zerrissen, und die Wunde blutet sehr stark. Sie muss versorgt werden.«
    Zu Matildas Erstaunen wandte sie sich an den Pfarrer mit dem Riechfläschchen in der Hand und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum, während ihr rundes Gesicht vor Empörung bebte. »Sie und Ihre Frau sollten sich um sie kümmern, Sir. Es

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