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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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in ihrer ausdrucksstarken Schrift über die Liste geschrieben hatte. Vier Ballkleider, passende Schuhe, Reitkostüm (Samt), Pelzmantel und Hut. Laufschuhe. Zwei Kostüme für das Land, vier für die Stadt, mit passenden Hüten. Sechs Nachmittagskleider.
    Die Liste war abrupt unterbrochen worden, den Stift hielt Matilda noch in der Hand, sodass Tabitha vermutete, sie müsste beim Schreiben eingeschlafen sein.
    Plötzlich war sie die Ärztin, nicht mehr die Tochter, und ihr siebter Sinn verriet ihr, dass Matilda gestorben war. Sie nahm ihre Hand, um ihren Puls zu fühlen, aber bevor ihre Finger die nackte Haut berührten, wusste sie, dass sie sich nicht getäuscht hatte.
    Es war einzig ihre Professionalität, die sie davon abhielt, nach Alice zu rufen. Aber sie sank neben dem Bett auf die Knie, bettete ihren Kopf auf die Bettkante und schluchzte.
    Achtundfünfzig Jahre lang, vom kleinen Kind bis zur Großmutter, hatte sie Matty geliebt. An den wichtigsten Punkten ihres Lebens war sie bei ihr gewesen – am ersten Schultag, beim Tod ihrer Eltern, bei ihren ersten Schritten als Krankenschwester, als sie ihren Abschluss feierte, bei ihrer Hochzeit, der Geburt ihres ersten Kindes –, und auch an Sebastians Todestag hatte sie ihr Trost gespendet. Und dennoch waren es nicht diese vielen großen Ereignisse gewesen, die ihr jetzt wichtig erschienen, sondern die kleinen Freundlichkeiten, ihre Sorge, das Teilen und ihr gemeinsames Lachen. Tatsächlich war sie ihre Mutter gewesen, ihre Schwester und Freundin, die liebste und wichtigste Person in ihrem Leben.
    »Was sollen wir bloß ohne sie tun?«, fragte Peter, während ihm die Tränen über die Wangen liefen und er Tabitha umarmte. Alice war zu seinem Haus gelaufen, um ihn zu holen, und er war so schnell hergerannt, dass er noch immer außer Atem war.
    »Sie würde nicht wollen, dass wir so reden«, flüsterte Tabitha und legte die Arme um ihn. Sie hielten einander fest, weinten jeder an der Schulter des anderen und dachten in ihrer Trauer auch an all die anderen Menschen, die sie geliebt hatten, die aber schon vor ihr gegangen waren. »Sie ist jetzt mit all ihren Freunden vereint«, murmelte Tabitha. »Mit ihrem Vater, Lily, Giles, John, Cissy, Amelia, Susanna, Zandra, Dolores und Sidney, aber vor allem mit James.«
    Nachdem Peter in Mattys Zimmer gegangen war, um sich von ihr zu verabschieden, setzten Tabitha und er sich gemeinsam ans Feuer ins Wohnzimmer. Tabitha erzählte von ihren Kindheitserinnerungen, von Missouri, wo ihre Eltern gestorben waren, und dem Treck nach Oregon.
    »Ich wünschte, ich wäre damals alt genug gewesen, um zu verstehen, dass James sie sogar damals schon liebte«, sagte sie traurig. »Ich habe ihn bewundert und hätte alles dafür gegeben, ihn als Vater zu haben. Wie anders sich die Dinge entwickelt hätten, wenn er Matty schon während des Trecks von seinen Gefühlen erzählt hätte!«
    »Aber dann wären wir nicht alle eine große Familie geworden, oder?«, wandte Peter ein. »Stell dir vor, Cissy hätte Matty nicht um sich gehabt, als John starb.« Er fuhr fort, davon zu erzählen, wie schrecklich es für ihn gewesen war, Mutter und Schwestern zu verlieren, sprach von seinen ersten Erinnerungen an San Francisco und davon, wie es gewesen war, James und Matilda so verliebt zu sehen.
    »Sie strahlte auf, sobald er bei ihr war«, berichtete Peter. »Und bei ihm war es genauso. Du konntest zwischen ihnen etwas in der Luft knistern hören, es prickelte, wenn man im selben Raum mit ihnen war.«
    »Sie war bei seiner Beerdingung so tapfer«, sagte Tabitha, und Tränen rannen ihre Wangen herab. »Es war furchtbar, all diese langen Erdhügel, und sogar anschließend mussten noch mehr Gräber ausgehoben werden, um alle Tote zu bestatten. Matilda hielt den Kopf aufrecht und den Rücken gerade. Sie war ebenso ein Soldat wie die, die gekommen waren, um ihren Kameraden die letzte Ehre zu erweisen.« Sie hielt inne und wischte sich die Augen trocken.
    »Ich habe niemals so viel Mut gesehen, Peter. Als sie den Zapfenstreich spielten, zitterte sie, aber sie ging nach vorne, um ihren Blumenstrauß auf sein Grab zu legen. Sie hatte ihn am Morgen selbst gebunden und ein nasses Tuch um die Stängel gewickelt, damit sie nicht so schnell verwelken würden. Sie küsste den Strauß, legte ihn ab, und ihre Tränen glitzerten auf den Blüten wie Tau.«
    Peter nahm sie in die Arme. Weder Tabitha noch Matilda hatten zuvor über die Beerdigung gesprochen. Er vermutete, es war

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