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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Dame mit fester, klarer Stimme. »Heute kam ich tatsächlich aus einem dieser schicken Häuser, aber vor vierundsiebzig Jahren wurde ich in einem abgetakelten Stadtteil von London geboren, das der Lower East Side in nichts nachsteht.«
    Fanny fiel vor Überraschung die Kinnlade herunter. Sie hatte nicht viele Engländer kennen gelernt, doch die wenigen, die sie getroffen hatte, hatten in ihr den Eindruck erweckt, dass England voller Schlösser, Paläste und großer Herrenhäuser war. Keiner von ihnen hatte jemals zugegeben, dass es dort auch Slums gab. Aber noch mehr erstaunte sie das Alter der Dame. Wo sie lebte, erreichten die Menschen selten das sechzigste Lebensjahr und sahen noch viel früher alt aus. Doch diese Dame war vollkommen ohne Hilfe auf das Boot gestiegen, ihr Gang war schwungvoll, und obwohl ihr Gesicht durchaus Falten aufwies, war es weich und die Haut klar.
    »Sie machen sich über mich lustig!«, erwiderte sie. »So alt können Sie gar nicht sein!«
    Matilda antwortete nicht sofort. Stattdessen schälte sie langsam die weichen Lederhandschuhe von den Fingern und streckte Fanny ihre Hände entgegen. »Und, was siehst du jetzt?«, fragte sie.
    Fannys eigene Hände waren vom Einholen der Taue schwielig, gerötet und rissig von Wind und Wetter, aber die Hände der alten Dame zeigten ihr, dass das Alter noch grausamer sein konnte als die Elemente. Es waren große Hände für eine so vornehme, zierliche Dame. Der Handrücken war mit Falten übersät. Die Knöchel waren angeschwollen und verformt. Sie hatte ein paar Fingernägel verloren, an deren Stelle die Haut hässlich vernarbt war.
    »Sie haben sehr hart gearbeitet«, bemerkte Fanny leise. Sie war verblüfft, denn dies hatte sie nicht erwartet. Sie drehte die Hände um, sah sich die Handinnenfläche an und strich mit ihrem Finger über die Haut, die sich trocken und brüchig wie Herbstlaub anfühlte. Das waren tatsächlich die Hände einer alten Frau.
    »Sie sind hässlich und sollten besser verborgen bleiben.« Matilda zog sich die Handschuhe wieder über. »Aber sie können dir eine Menge über mein Leben erzählen. Dass sie Böden geschrubbt und Felder umgegraben haben, kannst du dir sicher denken. Doch das ist nicht alles. Sie haben Babys beruhigt, Planwagen gesteuert, Gewehre abgefeuert, Tote begraben und noch viele andere Dinge getan.«
    Fanny wollte gern wissen, wie sie so reich geworden war, dass sie sich einen solch wundervollen Mantel leisten konnte, aber sie wusste, dass diese Frage zu aufdringlich erscheinen würde.
    »Als ich dann endlich Geld verdiente«, fuhr Matilda fort, »gab ich ein Vermögen für Cremes und Salben aus, doch da war es bereits zu spät. Nichts konnte meine Hände wieder schön machen. Ich habe mich ihrer so geschämt, dass ich immer Handschuhe getragen habe. Doch jetzt bin ich alt, und die Eitelkeit lässt nach, genauso wie es Kummer nach einer Zeit tut. Heute schaue ich sie mir hin und wieder an und rufe mir ins Gedächtnis, dass nicht mein Verstand oder mein gutes Aussehen mich durch die schlechten Zeiten gebracht haben, sondern allein diese Hände und mein Wille. Ich hatte Glück, dass sie beide so stark waren.«
    Fanny empfand eine Woge der Bewunderung für die englische Dame, die so geradeheraus sprach. Sie selbst war unter Immigranten aufgewachsen, und die meisten von ihnen verloren die Ausdauer und Energie bereits wenige Wochen, nachdem sie vom Schiff gestiegen waren. Sie blieben in ihren elenden, überfüllten Mietshäusern, und im Laufe der Jahre begannen sie, anderen die Schuld für ihre Armut und Erfolglosigkeit zu geben. Diese Dame mit ihren teuren Pelzen war nicht nur ein Beweis dafür, dass es jeder mit einem starken Willen, mit Mut und Entschlossenheit von der Lower East Side zur Fifth Avenue schaffen konnte, sondern auch, dass man sich dabei Güte erhalten kann, ja sogar Demut.
    »Ich dachte zuerst, Sie wären verrückt«, gestand Fanny zögernd. Plötzlich schämte sie sich ihres schnell gefassten Vorurteils. »Tut mir Leid.«
    Matilda nahm die Hand des Mädchens in ihre eigenen behandschuhten und hielt sie fest. »Weißt du, Fanny, vielleicht bin ich verrückt, weil ich den Gestank des East River an einem kalten Märztag riechen will und mir Dinge ansehen möchte, von denen ich genau weiß, dass sie schmerzhafte Erinnerungen heraufbeschwören werden. Noch verrückter sogar, weil ich in ein Land zurückkehren möchte, das ich fast vergessen habe und dem ich ganz sicher entwachsen bin. Aber wenn man

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