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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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so alt ist wie ich, wird man automatisch so. Mich drängt es nachzuschauen, ob die Themse noch genauso breit ist wie früher und ob mir der Tower of London heute noch Angst einjagt. Ich glaube auch, dass ich in meinem eigenen Land sterben möchte, in dem keiner über die skandalöseren Teile meiner Vergangenheit Bescheid weiß.«
    Fannys Augenbrauen schnellten nach oben und bildeten zwei perfekte Halbkreise.
    Matilda kicherte, als sie ihr geschocktes Gesicht sah. »Oh, ja, Fanny! Zu meiner Zeit war ich ganz schön wild, aber das ist eine lange Geschichte. Ich würde sie dir gern erzählen, doch dies könnte meine letzte Chance sein, mir die alten Plätze noch einmal anzusehen und mich daran zu erinnern, wie alles gekommen ist.«
    Fanny verstand, dass sie jetzt gehen sollte. Sie war nicht verletzt, denn sie spürte, dass Matilda genau meinte, was sie gesagt hatte. Sie stand auf und legte die Decke noch dichter um die alte Dame. »Ich bin wirklich froh, Sie getroffen zu haben, Ma’am«, meinte sie. »Genießen Sie jetzt die Fahrt, und wenn Sie irgendetwas brauchen, rufen Sie einfach!«
    »Ich wusste, dass ich mir das richtige Boot ausgesucht habe«, entgegnete Matilda mit einem warmen, anerkennenden Lächeln.
    Fanny ging zurück zur Steuerkabine, und Matilda konzentrierte sich auf die Aussicht auf die Bucht. Der Himmel war dunkelgrau gefärbt, der Wind wehte stark und war bitterkalt. Aber das war ihr nur recht, denn sie wollte nicht, dass Wärme und heller Sonnenschein ihr lediglich die glücklicheren Momente ihres Lebens in Erinnerung riefen.
    Als Giuseppe in Richtung Ellis Island steuerte, bemerkte sie, wie ihre Augen die majestätische Freiheitsstatue fixierten, obwohl diese in ihrer Erinnerung keinen festen Platz hatte. Sie war erst vor ein paar Jahren errichtet worden, als auch die Einrichtung für Immigranten auf Ellis Island noch neu gewesen war. Dennoch bekam sie eine Gänsehaut, als sie zu der Statue hochsah. Nicht nur die schiere Größe verblüffte sie, sondern auch ihre unglaubliche Schönheit. Sie hoffte, die Statue würde all den armen, auf Booten dicht zusammengedrängten Immigranten Trost geben und ihnen Mut machen.
    Giuseppe verringerte die Geschwindigkeit, als sie sich Ellis Island näherten. Das neue Gebäude für Immigranten wirkte mit seinen Kuppeln und Turmspitzen sehr eindrucksvoll, dennoch war es schon in »Insel der Tränen« umgetauft worden. Gerade hatte ein deutscher Dampfer angelegt, und ein dichter Strom von Passagieren bewegte sich durch die Gänge auf den Etagen. Obwohl sie wusste, dass ihre Fahrt über den Atlantik weniger als halb so lange gedauert hatte wie ihre eigene damals, konnte sie beim Näherkommen an den blassen, gezeichneten Gesichtern und den gebeugten Schultern der Leute erkennen, dass die Reise ein wahrer Albtraum gewesen sein musste.
    Ihr kamen Tränen, als sie sich vorstellte, was die Menschen nun hier erwarten würde. Während die Reichen sofort von New York angezogen werden würden, ohne jemals den Eindruck zu erhalten, dass sie auf irgendeine Weise unerwünscht waren, mussten die Armen noch verschiedene Stationen der Beurteilung durchlaufen. Wie viele dieser Männer in schwarzen Mänteln und mit langen Schnurrbärten, die aussahen, als könnten sie nicht einmal ihr eigenes Gepäck tragen, würden wohl die strenge medizinische Untersuchung bestehen? Andere konnten wiederum über Sprach- und Lesetests und Beurteilungen ihrer persönlichen Fähigkeiten stolpern. Zu ihrer Zeit waren alle willkommen gewesen. Zwar war dieses Willkommensein nicht so weit gegangen, dass man anständige Wohnungen und gut bezahlte Arbeit bekommen hatte, aber wenigstens hatten sie damals nicht die Demütigung ertragen müssen, wieder nach Hause geschickt zu werden, weil sie nicht der amerikanischen Wunschvorstellung eines idealen Immigranten entsprachen.
    Sogar das Meeresrauschen, der Wind, die Seemöwen und das Dröhnen der Motoren des Bootes konnten das jammervolle Geschrei hungriger und kranker Kinder nicht übertönen. Verängstigt aussehende Frauen drückten ihre Babys an die Brust. Ihre Augen suchten das gegenüberliegende Ufer nach den Verwandten ab, die sie zur Immigration gedrängt hatten und die sie jetzt begrüßen wollten.
    Leider wusste Matilda jedoch, dass ihnen noch mehr Elend und böse Überraschungen bevorstanden. New York mochte ja blühen, aber ein Großteil des Wohlstandes hatte man aus ebendiesen Menschen gepresst. Sie kannte die schlimmen Umstände, unter denen die

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