Letale Dosis
auflegen, als Durants Stimme ihn zurückhielt.
»Ach ja, haben unsere Experten sich schon aus Rosenzweigs Büro gemeldet?«
»Bis jetzt nicht. Scheint wohl etwas länger zu dauern. Schönen Abend noch.« Berger legte auf. Julia Durant drückte den Aus-Knopf, als das Handy gleich darauf piepte. Werner Petrol.
»Kannst du heute abend vorbeikommen?« fragte er.
»Heute abend? Ich dachte, mittwochs bist du immer länger in der Klinik.«
»Normalerweise ja, nur heute ist eine Ausnahme. Ich bin ab halb sieben in meiner Wohnung. Wenn du Lust hast …«
»Mal sehen. Ich ruf dich auf jeden Fall vorher an …«
»Ich komme eigentlich nur wegen dir. Wir könnten essen gehen, oder ins Kino …«
»Kino ist schlecht, weil ich Bereitschaft habe. Essen gehen ist okay. Aber wie gesagt, ich ruf vorher an.«
»Dann bis nachher, und … ich sehne mich nach dir. Ich hoffe, du weißt das.«
»Bis später.« Sie beendete das Gespräch abrupt. Sie hatte eigentlich vorgehabt, den Abend allein zu verbringen, bei ein oder zwei Dosen Bier, die Beine hochgelegt und dabei fernzusehen. Sie würde sich überlegen, ob sie den Abend mit Petrol verbringen wollte. Bis sie zu Hause anlangte, dachte sie unentwegt an das Gespräch mit Marianne Rosenzweig. Wie es schien, war sie tatsächlich die Frau, als die sie Sabine Reich geschildert hatte – auf eine gewisse Weise rein und unschuldig, und unendlich naiv. Und sie tat ihr irgendwie leid.
Mittwoch, 17.54 Uhr
Walter Schönau war seit etwas über einer Stunde allein in seiner Bank, er hatte noch ein paar Briefe unterschrieben, die seine Sekretärin morgen wegschicken würde.
Nachdem er das erledigt hatte, drückte er einen Knopf auf dem Telefon, kurz danach meldete sich seine Frau: »Schönau.«
»Hallo, Vivienne, ich bin’s. Ich wollte dir nur kurz sagen, daß ich ein klein wenig später komme als geplant, aber ich habe vorhin einen Anruf bekommen und muß noch auf ein dringendes Paket warten …«
»Moment mal, um acht kommen die Gäste!« fuhr Vivienne Schönau ihm verärgert ins Wort. »Gäste, die du selbst zu deinem Geburtstag eingeladen hast.«
»Bitte, reg dich nicht auf, ich warte nur noch auf das Paket und fahre dann sofort nach Hause. Ich verspreche dir, nicht später als acht da zu sein. Nicht böse sein, okay?«
»Dich möchte ich einmal pünktlich erleben«, sagte sie. »Aber wenn du um acht nicht hier bist, fangen wir ohne dich an, nur damit du das weißt.«
»Einverstanden. Aber ich werde da sein.«
Nach dem kurzen Gespräch lehnte er sich zurück, drehte sich mitdem Sessel und betrachtete sein Aquarium. Er war stolz darauf, erfreute sich jeden Tag aufs Neue an den Fischen, sie vermittelten ihm die Ruhe, die er häufig nicht hatte und erst bekam, wenn er ein paar Minuten auf das Wasser und die beruhigenden Bewegungen darin schaute. Er warf einen Blick zur Uhr, kurz vor sechs. Er schüttelte den Kopf, glaubte nicht mehr, daß sein Besucher kommen würde. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, klingelte es. Er betätigte die Sprechanlage.
»Hallo, Liebling, ich bin’s.« Schönaus Gesicht hellte sich auf, er erhob sich, ging mit langsamen Schritten ins Erdgeschoß zur Hintertür und öffnete sie.
»Schön, dich zu sehen«, sagte er und umarmte sie. »Komm, gehen wir nach oben.«
»Und, wie war dein Tag, ich meine, man wird schließlich nur einmal fünfzig?« fragte sie, setzte sich auf die Schreibtischkante, holte eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine an. Mit lasziven Bewegungen führte sie die Zigarette zum Mund, inhalierte, blies den Rauch in Schönaus Richtung.
»Du sollst doch nicht rauchen«, sagte Schönau grinsend. »Du ruinierst noch deine Gesundheit damit.«
Ebenfalls grinsend erwiderte die Angesprochene: »Und du sollst auch nicht die Ehe brechen oder sonst irgend etwas tun, was gegen die Gebote verstößt. Du kommst nämlich in die Hölle dafür.«
»Ich weiß, ich weiß, ich bin ein schlechter, durchtriebener Mensch. Aber so ist das nun mal mit den fleischlichen Gelüsten, sie lassen mich einfach nicht los. Und dabei bin ich schon fünfzig, ein Alter, in dem man meinen müßte, doch etwas ruhiger und ausgeglichener zu sein. Aber du faszinierst mich eben. Kann ich etwas dafür, wenn du wie ein Vulkan in mein Leben trittst?«
»Ach, Liebling, wir beide wissen doch ganz genau, was gut, und auch, was richtig ist. Laß die andern reden, die sind auch nicht viel besser. Ich sage mir jeden Tag aufs Neue, man lebt nur
Weitere Kostenlose Bücher