Letale Dosis
bleiben und das ausbaden müssen, was ein anderer angerichtet hat. Diese Welt ist keine gerechte Welt, nicht wahr?« fragte sie mit traurigem Blick.
»Im Moment brauchen Sie überhaupt nichts auszubaden. Ich führe die Ermittlungen in diesem Fall, und ich bestimme, ob und wann jemand verhaftet wird. Wir lassen gerade das Büro Ihres Mannes durchsuchen, vielleicht finden wir dort ein paar Hinweise, die uns zum wahren Täter führen. Es kann aber auch sein, daß die Untersuchungen sich noch lange hinziehen werden.«
»Frau Durant, sagen Sie, Sie waren doch sicher schon bei meinem Mann im Büro und haben die Angestellten befragt. Was sagen die über ihn?«
»Es gibt unterschiedliche Aussagen. Einige hielten ihn für einen harten Geschäftsmann, einige hatten kaum eine Meinung und wieder andere haben recht positiv von ihm gesprochen.«
»Wer hat positiv über ihn gesprochen – Frau Neumann?« fragte sie mit einem leicht bitteren Unterton.
»Unter anderem. Warum betonen Sie gerade Frau Neumann?«
»Wissen Sie, ich habe sie nur einmal ganz kurz gesehen und irgendwie gedacht, daß sie vielleicht … na ja, Sie können sich denken, was ich sagen will. Wissen Sie etwas darüber? Sie können es mir ruhig sagen.«
»Nein«, log Julia Durant und sah Marianne Rosenzweig an, die ihren Blick erwiderte und die Antwort mit einem seltsamen Lächeln hinnahm, so, als durchschaute sie diese wohlgemeinte Lüge.
»Macht nichts, ich will es auch gar nicht wissen. Wenn er etwas mit ihr gehabt hätte, dann wäre es ohnehin nur eine sexuelle Beziehung gewesen. Es ist egal. Es ist egal, so wie alles im Augenblick egal ist. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.«
»Sie haben noch Ihre beiden Söhne …«
»Die können mir aber nicht den Mann ersetzen. Und auch meineFreunde können es nicht. Alle sagen, dort, wo er jetzt ist, hat er es besser und es geht ihm gut und eines Tages werde ich ihn wiedersehen. Aber wann wird das sein? In mir ist momentan nur eine tiefe Leere, und ich weiß nicht, wie ich diese Leere jemals wieder füllen soll. Er war nun mal der wichtigste Mensch in meinem Leben.«
»Sie werden es schaffen, Frau Rosenzweig, da bin ich sicher …«
»Aber meine Angst, ich habe manchmal das Gefühl, sie bringt mich um. Er hat mir Halt gegeben, wenn ich mich schlecht gefühlt habe, und ganz gleich, wo er war, er war da. Ich weiß nicht, ob Sie das nachvollziehen können, aber ich habe ihm blind vertraut. Ich habe ihn wirklich geliebt, und ich hoffe, ich werde ihn eines Tages wiedersehen … Und jetzt habe ich Ihnen die Ohren vollgequatscht, und Sie wollten es wahrscheinlich gar nicht hören.«
»Doch, Frau Rosenzweig, ich wollte es hören. Ich wollte mit Ihnen sprechen und herausfinden, wie Sie zu Ihrem Mann gestanden haben. Jetzt weiß ich es. Und es beruhigt mich. Danke für das Gespräch. Und sollte Ihnen noch irgend etwas einfallen, was mir weiterhelfen könnte, hier ist meine Karte. Sie können mich jederzeit anrufen. Und jetzt will ich Ihre Zeit nicht länger beanspruchen, Ihre Freundin wartet bestimmt schon auf Sie.«
Marianne Rosenzweig lächelte, sagte: »Sie kann warten. Wir sehen uns so oft … Wissen Sie eigentlich schon, wann die Beerdigung stattfinden kann?«
»Die Autopsie ist abgeschlossen und ich denke, Sie können die Bestattung für Anfang nächster Woche einplanen.« Julia Durant erhob sich, reichte Frau Rosenzweig die Hand, verabschiedete sich, blieb in der Tür noch einmal stehen und sagte: »Sie brauchen keine Angst zu haben, ich meine, ich jedenfalls glaube nicht, daß Sie etwas mit dem Tod Ihres Mannes zu tun haben. Auf Wiedersehen.«
Marianne Rosenzweig blieb in der Eingangstür stehen, bis JuliaDurant in ihren Wagen gestiegen war. Die Kommissarin fuhr los, zündete sich eine Gauloise an, kurbelte die Scheibe herunter und dachte nach. Sie nahm das Handy aus ihrer Tasche und wählte die Nummer des Präsidiums. Berger war selbst am Apparat.
»Sie war es nicht«, sagte Durant. »Ich habe noch keinen Menschen kennengelernt, der sich so gut hätte verstellen können. Es ist einfach unmöglich, daß sie ihren Mann umgebracht hat, dazu hing sie viel zu sehr an ihm.«
»Aber sie ist und bleibt vorläufig unsere einzige Verdächtige«, sagte Berger.
»Sicher. Aber nur so lange, bis wir den wahren Täter gefunden haben. Und wir werden ihn finden, mein Wort darauf. Ich komme übrigens nicht mehr ins Präsidium, ich fahre gleich nach Hause.«
»Dann sehen wir uns morgen.« Berger wollte gerade
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