Letale Dosis
Schreibtisch, grinste sie an.
»Was ist das?« fragte er.
»Gefallen sie dir nicht?« fragte sie zurück.
»Doch, sie sind einfach prächtig … Du bist in jeder Beziehung einfallsreich.«
»Ich dachte mir, sie könnten eine wahre Zierde und Bereicherung für dein Aquarium sein. Es ist eigentlich verboten, sie einzuführen, aber ich habe einen Weg gefunden. Du kennst mich ja, ich finde immer einen Weg, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe. Nun mach schon, setz sie in dein Aquarium.«
Einen Moment betrachtete er die regungslosen Wesen, er zog das Jackett aus, krempelte den rechten Ärmel hoch und griff ins lauwarme Wasser. Er nahm eines der Tiere vorsichtig am vorderen, dickeren Ende in die Hand, um es nicht zu verletzen, betrachtete es eine Weile, meinte, kurz hintereinander ein paar leichte Stiche in den Zeigefinger zu verspüren, stieg auf den Stuhl und setzte das Tier in sein Aquarium zu den Fischen.
»Stechen die?« fragte er stirnrunzelnd.
»Sie sind harmlos, keine Sorge«, bemerkte sie lachend. »Sie ernährensich von winzigen Fischen, die sie auf diese Weise aufspießen.«
»Sie sind doch hoffentlich nicht giftig?« fragte er etwas mißtrauisch.
»Liebling«, sagte sie und löste sich von der Tür, kam auf ihn zu und legte beide Arme um seinen Hals. »Ich würde bestimmt nicht hier stehen und zusehen, wenn … Ach, du bist dumm.«
»Schon gut«, erwiderte er und holte gleich darauf mit der gleichen Behutsamkeit das zweite Tier aus dem Behälter, diesmal einige kaum spürbare Stiche in seine Hand. Auch dieses Tier ließ er in das warme Wasser seines Aquariums gleiten, blieb noch ein wenig davor stehen, um sich an dem Anblick zu erfreuen, schließlich drehte er sich um, seine Augen leuchteten, er ging zu ihr, nahm sie in den Arm, sagte: »Danke. Das ist wirklich das schönste und ausgefallenste Geschenk, das ich heute bekommen habe. Du bist in jeder Hinsicht eine äußerst phantasievolle Frau. Ganz anders als Vivienne, und das weißt du. Ich liebe dich.«
»Ja«, sagte sie und löste sich aus seiner Umarmung, setzte sich wieder auf die Schreibtischkante und zündete sich eine weitere Zigarette an. »Ich muß gleich gehen«, fuhr sie fort.
»Und was ist mit heute abend?« fragte er. »Kommst du auch? Ich will dich wenigstens sehen.«
»Ich werde kommen, aber etwas später. So gegen neun. Einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte er, schien einen Moment zu überlegen, beschloß, den Plastikbehälter auf der Toilette zu leeren.
Er griff danach, berührte den Behälter, doch er spürte ihn nicht. Seine rechte Hand war taub. Allmählich breitete sich dieses Gefühl über den ganzen Arm aus, sein Herz begann wie wild in seinem Brustkorb zu hämmern, als wollte es ihn zersprengen, er mußte sich hinsetzen, weil ihm schwindlig wurde. Mit letzter Kraft schaffte er es bis zum Sessel, fiel hinein. Er schloß die Augen, fühlte eine große Müdigkeit in sich aufsteigen, aber er wolltenicht einschlafen, nicht jetzt, nicht heute. Heute war doch sein Geburtstag, und bei ihm zu Hause warteten eine Menge Gäste auf ihn.
Er sah sie an, flüsterte kaum hörbar: »Was ist los mit mir? Mir ist so komisch, als müßte ich ersticken. Was ist das?«
Sie drehte sich auf dem Tisch, inhalierte, blies den Rauch in seine Richtung, ihr Blick war kalt und unbarmherzig. »Tja«, sagte sie mit zynischem Lächeln, »ich schätze, die Party heute abend wird ohne dich stattfinden. Schade, denn ich werde da sein. Und du wirst mich auch nicht mehr ficken können. Es ist vorbei … Liebling! Aus und vorbei.«
»Du hast mich angelogen«, flüsterte er, wollte aufstehen, doch seine Glieder gehorchten nicht mehr. »Das war Gift.« Seine Zunge wurde immer schwerer, er vermochte kaum noch zu sprechen. »Du brauchst keine Angst zu haben, es dauert nicht lange«, sagte sie kühl. »Nicht, wenn man ohnehin schon ein angeknackstes Herz hat. Ich habe extra große Exemplare besorgt, ich dachte mir, warum soll mein Schatz so lange leiden? Ein paar Minuten noch, ich werde so lange warten. Wann kommt die Putzkolonne noch mal? Um sieben? Wir haben jetzt kurz nach halb, ich denke, in fünf Minuten werde ich gehen. Schau dich noch einmal um, es wird das letzte Mal sein.« Sie machte eine kurze Pause, drückte ihre Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. »Du bist übrigens genau so ein Schwein wie Rosenzweig. Du und deine verdammte Scheinheiligkeit. Wenn du dich jetzt sehen könntest, die Erbärmlichkeit in deinem Gesicht und
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