Letzte Ausfahrt Neckartal
Fahrzeuge an. Die Kollegen sahen zu ihm herüber, doch statt einer Antwort erntete er nur verstörte Blicke. Er brüllte die Frage ein weiteres Mal über den Tatort. Der Verkehrslärm so direkt an der Autobahn war unbeschreiblich.
»Ich bin hier, Treidler«, hörte er Melchiors Stimme hinter sich.
Treidler fuhr herum. »Wie sind Sie so schnell hergekommen – ohne eigenes Auto?«
Melchior vergrub die Hände in den Taschen ihrer Lederjacke. Sie hatte ihren Unmut noch nie gut verbergen können. Doch der verärgerte Ausdruck, mit dem sie ihn dabei anzusehen pflegte, tat ihrem mädchenhaften Gesicht mit den großen dunklen Augen keinen Abbruch. Wie immer im Dienst hatte sie ihre braunen Haare zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengebunden. Nur einige widerspenstige Strähnen hingen an den Seiten herunter. Sie hatte sich ein buntes Tuch um den Hals geschlungen. Seit sie vor einem Vierteljahr beinahe mit einer Garrotte erdrosselt worden war, verbarg sie darunter die schmale Narbe oberhalb ihres Kehlkopfes.
»Wie wohl? Im Gegensatz zu Ihnen waren die Jungs von der Streifenpolizei so nett und haben mich abgeholt, als Sie nach einer halben Stunde immer noch nicht da waren. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich morgen meinen eigenen Dienstwagen bekomme.«
Da fiel es Treidler wieder ein: Der Mann von der Zentrale hatte gesagt, er solle seine Kollegin in der Innenstadt abholen. »Tut mir leid, Melchior. Ich hab geduscht und dann …« Er stockte und versuchte reumütig dreinzuschauen.
»Was?«, fragte sie.
»… schlichtweg vergessen.«
Melchior verdrehte die Augen und wandte sich um, dem Tatort zu. Schuldbewusst trottete Treidler ihr zu dem alten Opel hinterher. Die Türen standen offen, und zwei Kriminaltechniker in halbdurchsichtigen weißen Overalls knieten auf der linken Seite. Während einer der beiden den Arm des Toten festhielt, der aus dem Fahrzeug ragte, stülpte der andere eine Plastiktüte über die Hand und band sie zu. Aus den Augenwinkeln erkannte Treidler das polnische Kennzeichen an der Heckklappe und dachte missmutig an den Papierkram, den der Tod eines Ausländers unweigerlich mit sich brachte. Er folgte Melchior auf die rechte Fahrzeugseite. Der vordere Kotflügel rostete derart stark, dass sich das Blech gelöst hatte und einen Daumen breit vom Rest der Karosserie abstand.
Höchstens zwei Dutzend Autos und eine Handvoll Lastwagen belegten die Parkplätze auf dem Gelände der Rastanlage. Im Gegensatz zu den meisten anderen Tatorten standen nur wenige Schaulustige herum. Drei Lastwagenfahrer diskutierten erregt miteinander und zeigten immer wieder auf den Toten. Eine Familie mit zwei Kindern verfolgte das Geschehen mit versteinerten Mienen. Schließlich stand da noch ein älterer Mann mit grauen Haaren, der erschrocken dreinschaute. Er trug einen Overall in den Farben der Tankstelle und verharrte regungslos neben einem weitaus jüngeren Mann in Anzug und Krawatte, der auffiel wie ein Pinguin in der Sahara.
Der Opel stand abseits der großen Parkreihen, etwas versteckt hinter dem Raststättengebäude. Nur ein dunkelblauer Golf neueren Baujahres mit Rottweiler Kennzeichen parkte in der Nähe. Treidler fiel auf, dass der Bereich unter dem Golf nass glänzte. Der Platz unter dem Kadett hingegen war vollkommen trocken.
»Um wie viel Uhr hat es gestern Abend angefangen zu regnen?«, fragte er Melchior.
Sie zuckte mit den Schultern. »Irgendwann zwischen neun und zehn, denke ich.«
»Sehen Sie die trockenen Stellen unter dem Fahrzeug? Der Wagen muss vor dem Regen hier abgestellt worden sein – also auf jeden Fall vor zehn Uhr gestern Abend.«
»Ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Melchior, ohne hinzusehen.
»Wer hat ihn gefunden?«
»Der Tankwart da drüben.« Sie deutete mit dem Kopf zu dem Grauhaarigen im blauen Overall.
»Und wer ist der Typ daneben im Anzug?«
»Keine Ahnung.« Melchior schüttelte den Kopf. »Sieht aus wie sein Chef.«
»Haben Sie schon mit ihm geredet?«
»Mit wem? Dem Typ im Anzug?«
»Mit dem Tankwart natürlich.«
»Nein.« Sie blitzte ihn aus den dunklen Augen an. »Ich bin erst vor ein paar Minuten angekommen.«
Treidler schaute ins Innere des Fahrzeugs. Der Zündschlüssel mit einem walnussgroßen Plastikfußball als Schlüsselanhänger steckte noch. Die Klappe des Handschuhfachs hing herunter, und der Inhalt lag auf der Fußmatte. Überhaupt stand der Innenraum des Opels dem heruntergekommenen Äußeren in nichts nach. Davon zeugte neben
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