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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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auch die Anschriften«, rief Treidler ihm nach und grinste. Er wandte sich an den Tankwart. »Danke, Herr Richter, das war’s fürs Erste. Falls wir noch weitere Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.«
    Richter nickte und schob die Hände in die Taschen. Mit gesenktem Kopf trottete er in Richtung der Zapfsäulen.
    »Wir sollten auch gehen«, sagte Treidler. »Ich hasse diesen Scheiß-Nieselregen. Lassen Sie uns zurückfahren. Hier können wir eh nichts mehr tun.«
    »Doch«, sagte Melchior. »Wir warten.«
    »Auf was?«
    »Auf die Liste.«
    Treidler seufzte. »Wegen mir – dann warten wir eben.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und schaute einem altersschwachen Wohnmobil nach, das wie in Zeitlupe die Rastanlage passierte.
    Melchior schwieg, drehte sich in die gleiche Richtung und verschränkte ebenfalls die Arme.
    »Immer noch sauer?«, fragte er nach einer Weile, ohne Melchior anzuschauen. Vielleicht sollte er sich doch entschuldigen.
    »Wegen was?«
    »Dass ich vergessen habe, Sie abzuholen.«
    »Geht so.«
    »Gut.« Treidler nickte. Wenigstens hatte sich ihr Ärger wieder gelegt.
    »Was ist gut?«, fragte sie mit ungewohnter Schärfe.
    Vermutlich war es besser, wenn er nicht darauf antwortete. Er ließ ein paar Sekunden verstreichen und fragte: »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    Melchior schüttelte den Kopf.
    »Dann lassen Sie uns drinnen bei einem Kaffee warten.« Treidler setzte sich in Bewegung.
    Kalter Rauch vom Vorabend empfing sie, als sie die Raststätte betraten. Der kleine Gastraum bestand aus einer Selbstbedienungstheke und einem guten Dutzend Tische an der Fensterfront. Nur an drei davon saßen Gäste. Die halbtransparenten Gardinen erlaubten einen Blick auf Tankstelle und Parkplatz. Treidler erinnerte sich noch gut an seine Jugend, als er mit seinen Freunden manchmal spätnachts hierhergekommen war, weil im Umkreis nichts anderes geöffnet hatte. Meist hatte sie dann bei Pommes, Würstchen und Bier zusammengesessen und gewartet, bis der Morgen graute. Was sie damals daran gefunden hatten, stundenlang in diesem grell beleuchteten und wenig gemütlichen Lokal zu verbringen, konnte er heute beim besten Willen nicht mehr sagen.
    Noch immer versprühte die dunkle Einrichtung das Flair der späten siebziger Jahre. Rotbraune Bodenfliesen sowie Holzdecke und Möblierung aus Nussbaum verfinsterten den Raum zusätzlich. Diesen Eindruck vermochten auch die hellen Tischdecken und der österliche Blumenschmuck nicht abzuschwächen.
    Sie fanden einen Platz am Fenster, von wo aus sie den Tatort einsehen konnten. Inzwischen war der Leichenwagen eingetroffen und parkte neben der Absperrung. Eine Handvoll uniformierter Beamte suchte die nähere Umgebung ab. Voraussichtlich würde sich ihre Arbeit als sinnlose Fleißaufgabe herausstellen. Die meisten Spuren hatte der Nieselregen längst verwischt oder unbrauchbar gemacht. Treidler verwarf auch den Gedanken, den Fluchtweg des Mörders durch einen Spürhund nachvollziehen zu lassen.
    Er besorgte Kaffee und Butterbrezeln, nahm gegenüber von Melchior Platz und biss von einer Brezel ab. Am Tatort rollte ein Kriminaltechniker braunes Packpapier auf dem Boden neben der Fahrertür aus. Treidler wusste, was jetzt kommen würde. Ihm verging der Appetit, er legte die Brezel zurück auf den Teller.
    Zu zweit versuchten die Kriminaltechniker, den Leichnam aus dem Fahrzeug zu hieven. Doch erst mit Hilfe eines dritten Mannes gelang es ihnen, den starren Körper aus dem Sitz zu lösen und neben dem Wagen abzulegen. In genau derselben Haltung, wie der Tote hinter dem Lenkrad gesessen hatte, lag er nun auf dem Packpapier: der rechte Unterarm fast senkrecht nach oben und die Beine angewinkelt. Ein bizarrer Anblick.
    Zwei Männer in hellgrauen Arbeitskitteln trugen einen Blechsarg herbei und stellten ihn neben dem Leichnam ab. Sie nahmen den Deckel ab und öffneten den Reißverschluss des Leichensacks. Schließlich begannen sie damit, den toten Körper einzuladen.
    Treidler zwang sich wegzusehen, nahm den Kaffeelöffel zur Hand und tat es Melchior gleich, die schon die ganze Zeit über schweigend in ihrer Tasse rührte. Sie hatte ihre Brezel bisher nicht angerührt.
    »Und was halten Sie davon?«, fragte sie aus heiterem Himmel.
    Treidler zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht.«
    »Das Auto ist durchsucht worden, und die Spurensicherung hat keine Wertsachen gefunden. Vielleicht nur ein Raubmord?«
    »Kann sein …«
    »Genauso gut könnte es sich auch um eine

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